Der Sozialethiker Peter Dabrock sieht eine „moralische Impfpflicht“ bei Corona. „Es kann doch keiner wollen, dass die Situation weiter so bleibt oder sogar eskaliert“, sagte Dabrock im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Mit der Impfung könne jeder etwas dafür tun, dass sich die Zeit bis zu einer Normalisierung des Alltags verkürze.
Der Theologe und frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats ergänzte, der Start der Impfungen müsse unterfüttert werden mit einer Informationskampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Es sei noch immer nicht jedem bekannt, wie der neuartige mRNA-Impfstoff wirke und dass er wahrscheinlich viel sicherer sei als frühere Vakzine.
Wer sich gegen Corona impfen lasse, übertrage das Virus im besten Fall nicht mehr auf andere, sagte Dabrock. Zumindest aber falle ein Geimpfter dem Gesundheitssystem nicht zur Last, weil die Impfung nach bisherigem Wissensstand schwere Krankheitsverläufe verhindere. Mit der Abwägung zwischen Risiko und Chance einer Impfung müsse sich jeder befassen. „Wer sich nicht Rechenschaft darüber ablegt, wie proportional gering das eigene Risiko im Verhältnis zu dem von anderen und der Gesellschaft ist, handelt fahrlässig und unsolidarisch“, sagte er.
Den statistischen Wahrscheinlichkeiten trauen
Dabrock riet, das Risiko einer Impfung mit sonstigen Lebensrisiken abzugleichen. Der Test an Zehntausenden Geimpften habe gezeigt, dass die Nebenwirkungen ähnlich wie bei einer Grippe-Impfung seien. „Ich sollte also den statistischen Wahrscheinlichkeiten trauen wie ich es bei der Gondel tue, mit der ich auf einen Berg in den Alpen fahre. Da denke ich auch nicht, dass jeden Moment das Seil reißt“, sagte der Erlanger Theologieprofessor.
Er selbst wolle sich impfen lassen, sobald er dran sei, sagte Dabrock und ergänzte, er finde es richtig, dass auch führende Politiker abwarten und sich nicht als erste impfen lassen: „Das ist eine starke Botschaft gegen das Vorurteil ‚Die denken ja nur an sich‘“. In Deutschland sollen laut erlassener Verordnung zunächst vor allem Risikogruppen wie Hochaltrige geimpft werden.
Zur Diskussion über eine „Impfpflicht durch die Hintertür“, bei der Unternehmen oder Veranstalter eine Impfung von Besuchern oder Kunden verlangen, sagte Dabrock, es werde wohl so kommen, dass Menschen durch den Impfpass oder Immunitätsausweis wieder mehr ihre grundrechtlich verbürgte Freiheit erfolgreich einklagen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass sie andere anstecken können. „Wichtig ist aber, dass für alle Menschen ein diskriminierungsfreier Zugang gewährleistet wird“, sagte er. Dies könne man erreichen, indem in Hotels, Restaurants, vor Bundesligaspielen oder einem Konzert jeder, der nicht geimpft ist, einen Schnelltest machen kann. «Diese Tests müsste im Sinne des diskriminierungsfreien Zugangs der Veranstalter zahlen“, sagte Dabrock.
Von: epd