Ein Drittel aller deutschen Jugendlichen hat nach bisherigen wissenschaftlichen Studien schon einmal mit Cybermobbing zu tun gehabt. Dies reicht von Provokation und Beschimpfung in den elektronischen Medien bis hin zum Verbreiten von Gerüchten, die Veröffentlichung entwürdigender Fotos und Videos sowie Gewaltandrohung.
An der nicht-repräsentativen Studie der Technischen Universität (TU) Berlin nahmen 30 Berliner Schüler zwischen 14 und 17 Jahren teil. Sie wurden nach ihrer Einschätzung des Phänomens Cyber-Mobbing befragt. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie in letzter Zeit als "Bystander", wie die Forscher sie nennen, Cyber-Mobbing beobachtet haben. Einflussmöglichkeiten auf die Täter schätzen sie eher gering ein.
Schweigen bedeutet nicht automatisch Zustimmung
Laut Studie sei die Passivität der "Bystander" kein Ergebnis von Desinteresse, sondern der Tatsache geschuldet, dass sich die Jugendlichen selbst hilflos und unsicher fühlten und nicht wüssten, an wen sie sich wenden könnten. Teilweise spielte auch die Befürchtung eine Rolle, selbst Opfer des nächsten Angriffs zu werden. Manche dieser Vorfälle ignorierten sie auch ganz bewusst, weil sie dem Täter nicht auch noch Aufmerksamkeit schenken wollten.
"Nicht jedes Schweigen ist auch eine Zustimmung", stellt Studienleiter Pfetsch im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) klar. Wenn die Jugendlichen aktiv werden, dann ist dies meistens bei guten Freunden der Fall. Freunde sind für Opfer auch die erste Anlaufstelle bei Problemen wie Cyber-Mobbing. Erst an zweiter oder dritter Stelle werden Eltern oder Lehrer genannt.Bei Freunden erhoffen sich die Opfer Trost und Unterstützung.
Sexualisierte Sprache
Freunde reagierten, indem sie Hass-Gruppen beim Internetbetreiber meldeten, oder die Jugendlichen nach der Identität der Täter suchten. Falls sie diese finden, würden sie aufgefordert, das Cyber-Mobbing zu unterlassen. Damit haben sie aus Sicht der Berliner Forscher eine wichtige Funktion für den weiteren Verlauf von Cyber-Mobbing. Jugendlichen selbst zeigten sich eher pessimistisch, ob sie in konkreten Vorfällen durch ihre Handlungsweisen etwas erreichen können. Zu einer positiveren Einschätzung kamen diejenigen, die bereits gegen Cyber-Mobbing eingeschritten sind und Hilfe durch Erwachsene gesucht und erhalten haben.
Ferner fällt in den Berichten der Jugendlichen eine sexualisierte Sprache beim Cyber-Mobbing auf. Mädchen wurden häufig als "Schlampe", ihre männlichen Alterskollegen als "schwul" bezeichnet. Während weibliche Opfer mehr über Gerüchte beziehungsweise Angriffe auf die soziale Reputation berichteten, schilderten männliche Opfer eher Beleidigungen und die Androhung physischer Aggression.
Verschränkung der Online- und der Offline-Welt
Wie dies konkret aussieht, erklärt Pfetsch im dpa-Interview: "Es gab anonyme Telefonanrufe, in denen Jugendliche beschimpft wurden und es gab Filme, die online gestellt wurden. Sie zeigen Jugendliche, die in unangenehmen Situation gefilmt zum Gespött des Internets werden. Die Online-Welt verschränkt sich immer mehr mit der realen Welt. Wird auf dem Schulhof gestritten, geht das später online weiter – und umgekehrt."
Die Jugendlichen schlugen vor, das Thema Cyber-Mobbing im Unterricht zu behandeln. Lehrer sollten die Sorgen der Jugendlichen ernst nehmen und nach Problemlösungen suchen. Von Betreibern der Internetforen und sozialen Netzwerken wünschten sich die Jugendlichen, dass bestehende Möglichkeiten, Verletzung der Nutzungsstandards zu melden, erweitert und optimiert werden.
Nicht nur aufgrund dieser Ergebnisse sind im Fachgebiet "Pädagogische Psychologie" an der TU Berlin weitere quantitative Befragungen mit größeren Stichproben zu diesem Thema in Planung. Sie sollen die vorliegenden Ergebnisse ergänzen. (pro)