Corona zieht sich hin

Schon fast ein halbes Jahr spielt das Alltagsleben unter dem Vorzeichen von Covid-19. pro-Kolumnist Jürgen Mette wartet zwar nicht auf Godot, aber auf ein Ende dieses Liedes und auf Menschen, denen er wieder die Hand schütteln und die er in den Arm nehmen darf. Eine leise Hoffnung setzt er ausgerechnet auf Verkehrsminister Andreas Scheuer.
Von PRO
Viele Jahre leitete der Theologe Jürgen Mette die Stiftung Marburger Medien. Sein Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“ schaffte es 2013 auf die Spiegel-Bestsellerliste. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Mir fällt auf, dass ich mich dem Corona-Regiment schon ziemlich ergeben habe. Gegen wen sollte ich auch kämpfen? Wir gelten weltweit als Musterland in der Abwehr des Virus. Das hat viel mit unserer Bundeskanzlerin und ihren zuständigen Ministern und den Länderchefs zu tun.

Der Mund- und Nasenschutz ist lästig und macht die Welt zu einer gesichtslosen Ellenbogengesellschaft, die im öffentlichen Leben maskiert und anonym unterwegs ist. Ellenbogen klatschen ist die neue Art freundschaftlicher Begrüßung. Ich weiß nie, wer wirklich hinter der Maske steckt. Jeder, der heute den Kassenbereich einer Bank betritt, könnte ein Bankräuber sein, oder ein Terrorist. Ich weiß nur, dass wir anlässlich meines – ohnehin nur in Schaltjahren stattfindenden – Geburtstages Ende Februar zuletzt als erweiterte Familie zusammen waren. Wir hatten seitdem nie mehr als zwei Gäste zum Essen im Haus. Da bewähren sich ein ausziehbarer Esstisch und eine große Terrasse.

Warten auf den Normalzustand

Seitdem warten wir auf irgendetwas: auf das Ende der Pandemie, auf Lockerungen, auf Gottesdienste, die man anfassen kann. Denn die Kirche ist auf „Koinonia“ angelegt, auf Hausgemeinschaft, auf persönliche Begegnung, auf Brot und Wein, den man riechen und das man schmecken kann, auf die Tuchfühlung und auf Handschlag, Küsschen und Umarmung. Auf normalen Schul- und Studienbetrieb und auf Restaurants ohne rot-weiß verklebte Stühle, auf Krankenbesuche in Kliniken und Altenheimen.

Eine Videokonferenz spart Reisekosten, aber sie schafft keine „Koinonia“.

Wir wollen endlich wieder Konzerte besuchen, oder ins Theater und ins Fußballstadion gehen. Wir haben alles nach hinten geschoben. Immer in der Hoffnung, dass wir bald alles nachholen können. „Im Herbst kommt wieder der Normalzustand!“, so habe ich Zuversicht verbreitet, bis einer fragte: „Herbst 2020 oder 2021?“ Sehr gute Frage! Wenn ich das wüsste, wäre ich jetzt nicht in Marburg, sondern in Berlin als Berater im Kanzleramt.

Freie Fahrt für den Imfpstoff

Keiner weiß es, auch die Pharma-Konzerne nicht, die unter enormem Druck beides leisten: mit Tempo und Sorgfalt einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sollen weltweit über 170 Impfstoffentwicklungen gegen das Coronavirus angelaufen sein. 33 Impfstoffkandidaten befinden sich derzeit in klinischen Studien (Phase 1-3), 143 werden in präklinischen Studien erprobt.

Und wenn das „Stöffche“ dann da ist, wer wacht über der weltweiten gerechten Verteilung und wer übernimmt vom „Mittel zum Leben“ in logistischer Hinsicht die ersten Chargen, bevor Trump und Putin das unter sich ausmachen. Entschuldigung, liebe CSU, aber wäre das nicht ein Job für unseren schneidigen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer? Einer, der sich mit korrupten Strukturen auskennt. Der wird sich auf internationalen Parkett stilsicher bewegen und bringt Erfahrung bei der Verhinderung von Tempolimits mit. Denn der Impfstoff muss ohne Limit und vorbei an allen Mautstellen weltweit zügig in die Arztpraxen und Kliniken kommen. Sonst laufen wir 2021 noch mit Mund- und Nasenschutz rum.

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