Comeback vorerst gescheitert

Da will jemand seine Altlasten hinter sich lassen, um kräftig neu durchzustarten. Dabei fällt ihm überhaupt nicht auf, dass er gar keinen Kraftstoff hat, mit dem er abheben könnte: Vertrauen. Der Tank ist leer. Doch Karl-Theodor zu Guttenberg sieht sich wahrscheinlich schon wieder auf den höchsten Höhen der Politik schweben.
Von PRO

Fehler begeht jeder Mensch. Und es muss auch jeder immer wieder die Chance bekommen, einen Fehler zu bekennen und wieder gut zu machen. Geht es nach Jesus, müssen wir Sündern 7 mal 70 Mal vergeben, nach Adam Riese also 490 Mal. Im Fall Guttenberg ist aber nicht das Problem, dass irgendjemand nicht bereit wäre, ihm zu vergeben. Das Problem ist, dass der Schuldige nicht einmal anerkennen will, dass er Schuld hat.

Guttenberg hatte in seiner Dissertation auf 93 Prozent der Seiten und in 63 Prozent aller Zeilen aus 135 Quellen zitiert, ohne dies anzugeben. Nicht nur für den gesunden Menschenverstand, sondern auch für die Jura-Experten der Universität Bayreuth ist klar, dass willentlich betrogen wurde. Die Textschnipsel wurden leicht abgeändert, was beweist, dass hier nicht jemand einfach nur die Quellenangaben vergessen hat. Doch bis heute spricht Guttenberg von Flüchtigkeitsfehlern, die ihm unterlaufen seien. Der Stress, die Familie, der Beruf, er habe irgendwann den Überblick verloren. Ein Comeback, das schon im Ansatz scheitert.

Ein Comeback hätte gelingen können

Fatal auch sein Versuch, doch wieder irgendwie seine Unschuld zu beweisen, und das auf eine Art, die selbst einem dummen Schüler nicht einfallen würde. "Wenn ich die Absicht gehabt hätte, zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist", sagte Guttenberg im Interview mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Das muss man eigentlich zweimal lesen. Die Argumentation geht ungefähr so: "Herr Richter, dieser Mord wurde stümperhaft begangen. Ich würde niemals so stümperhaft vorgehen. Also kann ich nicht der Mörder sein." Auf die Frage "Warum können Sie, acht Monate danach, nicht einfach sagen: Ich habe abgeschrieben?" sagt der Ex-Verteidigungsminister: "Ich sage es doch. Es ist nur eine Frage, wie man das sagt. Weil es ein Unterschied ist, ob man das absichtlich macht oder ob das Abschreiben das fatale Ergebnis einer chaotischen und ungeordneten Arbeitsweise ist." Aus Versehen abgeschrieben? Ein Schüler, der so argumentierte, würde ausgelacht werden.

Dass er diesen "Fehler" "bedauert" – geschenkt. Jeder, der Nachteile erlitten hat, weil er beim Lügen erwischt wurde, "bedauert" seinen Fehler. Aber nicht, weil er Menschen Schaden zugefügt hat, sondern weil er selbst Schaden dadurch erlitten hat. Allein weil Guttenbergs Arbeit die Auszeichnung "summa cum laude" erhielt und damit alle anderen, fleißigen Doktoranden, die einen seriösen Beitrag zur Wissenschaft leisten, in den Schmutz zieht, hätte sich Guttenberg bei jenen als erstes entschuldigen müssen. Auch zu seinem Doktorvater Peter Häberle, der sich nach dem Skandal in Scham von der Öffentlichkeit zurückzog, und dessen lebenslang aufgebaute Reputation in zwei Tagen quasi zerbrochen wurde, hat Guttenberg lediglich die Worte übrig: Es "bewege" und "erschüttere" ihn, dass er ihm Schmerzen zugefügt habe. Auf die Frage: "Ist es für Sie schwierig, zu sagen: ‚Ich bitte um Entschuldigung‘?", windet sich der Träger eines Adelstitels erneut um eine klare Aussage herum. Stattdessen argumentiert, relativiert und deutelt er. Warum ist das so? Weil sich Guttenberg für etwas entschuldigen möchte, was er gar nicht begangen hat: für eine chaotische Arbeitsweise. Dass er einen Betrug unternommen hat, für den er dann auch noch die Bestnote geerntet hat, verschweigt er.

Nun haut er auch noch auf seine ehemalige Universität, anstatt sich kleinlaut bei ihr zu entschuldigen für den Rufmord, den er an ihr begangen hat. Deren Prüfer hätten nicht richtig gearbeitet, meint er, seien "nicht unabhängig" und daher unglaubwürdig. Dabei kann jeder Bürger im Internet mitverfolgen, wie die "Dissertation" Guttenbergs als Plagiat entlarvt wurde. Sind wir denn alle "nicht unabhängig", und nur er, der Freiherr aus Guttenberg, vertritt die Wahrheit? Hier wird es psychologisch interessant.

Ein Comeback hätte gelingen können. Allerdings nur, wenn Guttenberg echte Reue gezeigt hätte, und noch dazu ein paar Jahre später. Und es hätte nur funktioniert, wenn er seine wahre Schuld zugegeben hätte. Aber selbst wenn man Guttenberg Glauben schenken würde, dass er den Überblick über "80 Datenträger" verlor, muss man sich fragen: Wie könnte jemand, der derart chaotisch ist, irgendeinen verantwortungsvollen Job übernehmen? Nicht einmal als Pförtner wäre er einsetzbar. Will da jemand seine Ehre retten, indem er allen weismacht, er sei ein Chaot?

Aber was muss er denn noch tun, um endlich Absolution erhalten zu können?, fragen vielleicht noch manche Guttenberg-Treuen. Ganz einfach: die Schuld eingestehen. Dann ist es geradezu biblisch, ihm zu vergeben. Und sei es zum 490. Mal. (pro)

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