Angefangen hat es beim Hamburger SV. Ein christliches Plakat nach einem Spiel des HSV gab im Jahr 2005 den Anstoß für sieben gläubige Christen, einen christlichen Fußball-Fanclub zu gründen. Es folgte 2007 der Verein „Mit Gott auf Schalke“. Gemeinsam mit dem gläubigen Schalke-Spieler Marcelo Bordon brachte der Fanclub eine Schalke-Bibel mit den Texten des Neuen Testaments heraus. Einige Monate später wurde die Dortmunder „Totale Offensive“ gegründet. Mit 400 Mitgliedern sind die Dortmunder neben den Hamburgern der größte christliche Fanclub.
Christliche Fußball-Fanclubs sprechen sich gegen Hass und Gewalt im Sport aus. Sie legen Wert auf Fairness, Respekt und Solidarität. Mittlerweile gibt es über ein Dutzend solcher Vereine in Deutschland.
Mit ihren Werten seien christliche Fanclubs ein wichtiger Bestandteil der Fanszene, sagt Harald Lange, Professor für Sportwissenschaften und Leiter des Instituts für Fankultur, gegenüber dem Sonntagsblatt. „Besonders im Profifußball, wo ja diese Werte oft mit Füßen getreten werden“, ergänzt er. Nicht zuletzt habe die Debatte um den ehemaligen Nationalspieler Mesut Özil und seinem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gezeigt, dass wir „nichts Dringenderes im Fußball brauchen als Werte, die mit Leben gefüllt werden müssen“. Im DFB gehe es hingegen vor allem ums Geld.
Die Profi-Spieler selbst sollten viel mehr in Kontakt mit gewöhnlichen Menschen kommen und „am Leben teilnehmen“, anstatt an ihren freien Turniertagen „an der Playstation zu sitzen“, sagt Lange. „Werte müssen gelebt werden – in der Gruppe, in der Mannschaft.“ Dazu gehörten Vertrauen, Versprechen und Solidarität. Auch gegen Rassismus in den Vereinen müsse vorgegangen werden. „Da kommt vom DFB leider nur peinliches Schweigen, während von den Fans Fairness und Respekt auf den Rängen erwartet wird.“ Die christlichen Fans könnten dabei helfen, Konflikte in der Fan-Szene zu regulieren. „Die Vorbildwirkung der christlichen Fans ist hierbei keinesfalls zu unterschätzen“, sagt der Experte.
„Tora et labora“
Was im weltlichen Umfeld kaum denkbar wäre, geht auf christlicher Ebene: Zweimal pro Saison laden die Dortmunder und die Schalker Christen zu einem gemeinsamen Gottesdienst ein. „‚Tod und Hass dem BVB‘ singen wir nicht mit“, sagte Anke Ballhausen vom Vorstand des Vereins „Mit Gott auf Schalke“, im Gespräch mit pro vor zwei Jahren. Auch Schiedsrichter oder gegnerische Spieler beschimpften sie nicht. An Weihnachten verteilen beide Clubs Geschenke an die Ordner und die Polizisten im Stadion, berichtete sie.
Viele christliche Vereine haben den Namen „Totale Offensive“ von den Dortmundern übernommen. Der Präsident des Vereins „Totale Offensive Köln“, Roland Junge, sagte im vergangenen Jahr dem Domradio: „Jedes Mal, wenn wir uns treffen und ein Spiel schauen, ist vorher normalerweise ein Gebet angesagt.“ Ebenfalls in Köln ansässig ist der Verein „Tora et labora“ (etwa: „Schieße Tore und arbeite), der sich bereits 1999 zusammengefunden hat und nach eigenen Angaben die „frömmsten Fans“ aus Köln versammelt. Das erste Gebot diese Vereins lautet: „Du sollst keinen anderen Verein neben dem FC haben!“
In Hannover formierten sich christliche Fans unter dem Namen „These 96“, und in Leipzig beten die „Holy Bulls“ gemeinsam für den Sport, die Fans und die Spieler. Anfang August feierten sie die Einsegnung ihrer eigenen Kapelle am Stadion in Leipzig. Erstmals genutzt wird sie am 2. September, wenn RB Leipzig gegen Fortuna Düsseldorf spielt. Die „Holy Bulls“ haben sich 2012 zusammengefunden, zwei Jahre später ist daraus ein offizieller Fanclub geworden.
Im Jahr 2003 gründeten drei gläubige Jungen im Alter von 15 Jahren den ersten christlichen Fanclub des VfB Stuttgart, die „Stuttgarter CVJM Buaben“. Dem gehören mittlerweile rund 200 Mitglieder an. Seit 2010 gibt es auch beim Nürnberger „Club“ einen offiziellen Fanclub, der zur „Totalen Offensive“ gehört.
Von: Jörn Schumacher