Christliche Ärzte: Organspende mit dem Glauben vereinbar

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner hat eine Orientierungshilfe zur Organspende für Christen verfasst. Sie beantwortet Fragen zum Hirntod und zu möglichen Gesetzesreformen. Ihr Fazit: Organspende widerspreche dem Glauben nicht.
Anja Elisabeth Edelmann
Lunge, Organspende

Seit November liegt dem Bundestag ein neuer Gesetzentwurf zur Organspende vor, um die Zahl der möglichen Organspender zu erhöhen. Der Bundesrat hat ihn initiiert, die aktuelle Zustimmungslösung soll durch die Widerspruchslösung ersetzt werden. Das bedeutet: Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, soll im Falle seines Todes automatisch zum Organspender werden; außer er widerspricht vorher. Aktuell muss ein potenzieller Spender vor seinem Tod einer Organentnahme ausdrücklich zustimmen. In Deutschland haben laut einer repräsentativen Befragung 45 Prozent ihren Willen dokumentiert, davon stimmen drei Viertel einer Organentnahme nach dem Tod zu.

Bereits im Januar gab es im Bundestag eine Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses zu einem überfraktionellen Gesetzesentwurf für die Widerspruchslösung. Doch zur Abstimmung kam es vor Ende der Legislaturperiode nicht mehr.

Zahlen

Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation warteten Stand Ende 2024 in Deutschland 8.575 Menschen auf ein Spenderorgan. 953 Menschen spendeten nach ihrem Tod insgesamt 2.855 Organe. Nieren wurden am häufigsten gespendet und transplantiert. In Europa verzeichnet Spanien mit 43 Spendern pro einer Million Einwohner (2023) den größten Anteil an Organspendern. In Deutschland kamen im vorigen Jahr bei den vollzogenen Transplantationen auf eine Millionen Einwohner elf Spender.

Die Debatte um die Organspende berührt auch viele ethische und religiöse Fragen. Deshalb hat die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM) Ende November eine Orientierungshilfe „Organe spenden? Ja oder Nein?“ veröffentlicht. Für eine Organentnahme nach dem Tod ist in Deutschland die Feststellung des Hirntods entscheidend. Die Orientierungshilfe thematisiert zunächst häufige Anfragen an dieses Kriterium und erläutert die medizinische Definition des Hirntods als „irreversiblen Ausfall aller Hirnfunktionen“.

Dieser bewirke in kurzer Zeit ein Absterben der anderen Organe, sodass diese nur mithilfe von Maschinen weiterarbeiten könnten. Deshalb gelte der Hirntod als sicheres Merkmal für den Tod, auch wenn ein Hirntoter bei künstlicher Beatmung weiterhin lebendig wirke. Therapie und Beatmung würden an diesem Punkt auch unabhängig von einer Organtransplantation oft beendet.

Hirntod-Kritierium zuverlässig

Laut ACM entspricht der Hirntod als Todesmerkmal auch philosophischen Ansprüchen. Dieses Kriterium erkenne zum einen an, dass der Mensch ein Gesamtes sei: Wenn das Gehirn als zentrales Steuerungselement ausfalle, sterbe auch das Ganze. Außerdem gebe es keine medizinischen Möglichkeiten, das Gehirn zu reaktivieren. Außerdem könne philosophisch das Bewusstsein und die Persönlichkeit im Gehirn angesiedelt werden. Mit dem Hirntod sei demnach „unwiederbringlich verloren“, was den Menschen als selbstständiges Individuum auszeichne.

Das Verfahren zur Feststellung eines Hirntods halten die christlichen Mediziner für zuverlässig. Zwei Ärzte, die nicht an einer möglichen Organspende beteiligt sind, müssten den Funktionsausfall des Gehirns und die Unumkehrbarkeit dieses Zustandes prüfen. Das erfolge nach gesetzlich festgelegten Regeln. Der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen müsse etwa unterschieden werden vom Zustand des Wachkomas und dem Locked-In-Syndrom. In beiden Fällen bestünden mindestens Reste von Hirnfunktionen, die nachprüfbar seien.

Widersprechen oder erklären

Die ACM geht auch auf die Reformdebatten ein. Die in Deutschland immer wieder diskutierte Widerspruchslösung gelte in vielen europäischen Ländern bereits und habe auch in der DDR bestanden. Allerdings sei sie ethisch umstritten: Kritiker urteilten, dass sie die Organspende von „einer freiwilligen, selbstlosen Gabe“ in eine „gesellschaftlich erwartete Pflicht“ verwandle. Das untergrabe das Selbstbestimmungsrecht, das im Grundgesetz garantiert wird. Es könne auch nicht angenommen werden, dass jeder, der nicht widerspreche, damit einer Organentnahme zustimme. Vielen fehlten Wissen und die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten, um in dieser Frage eine Entscheidung zu treffen.

Eine andere Möglichkeit sei die „Erklärungsregel“: Menschen bei einem Behörden- oder Arzttermin darauf anzusprechen, ob sie eine Erklärung – Zustimmung oder Ablehnung – abgeben wollten. Eine solche Erklärung entlaste die Angehörigen im Todesfall, da sonst sie die Entscheidung treffen müssten.

Christentum enthält gute Gründe für Organspende, aber keine Pflicht

Die ACM kommt zu dem Schluss, dass das Hirntodkonzept nicht dem christlichen Glauben oder der Auferstehungshoffnung widerspreche. Christliche Überzeugung sei, dass Gott den Menschen am Ende „neue, verwandelte Körper schenkt“ und fehlende Körperteile somit nicht von Bedeutung seien. Der menschliche Körper müsse aber auch bei einer Organtransplantation mit Respekt behandelt werden.

Organspende könne „als Ausdruck christlicher Nächstenliebe verstanden werden“. Spenderorgane könnten anderen Menschen ein längeres Leben mit weniger Einschränkungen ermöglichen. Ein solche Organ zu erhalten, führe allerdings ebenso zu Problemen. Die ACM fügt an: „Christen, die auf die Auferstehung nach dem Tod hoffen, dürfen auch den Mut haben, sich frühzeitig mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen“ – also auch mit der Möglichkeit der Organspende.

Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Mediziner ist ein überkonfessioneller Zusammenschluss von Ärzten, die aus ihrem Glauben heraus das Gesundheitswesen inspirieren und verantwortungsvoll mitgestalten“ wollen. Sie ist eine Fachgruppe der Akademiker-SMD.

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