Christen in Amerika: Rechte und linke Hand Gottes?

Mit seiner jüngsten Initiative, durch einen Verfassungszusatz die Ehe als einen Bund zwischen Mann und Frau zu definieren, ist US-Präsident George W. Bush im Senat erneut gescheitert. Zahlreiche Beobachter sehen das Vorhaben auch vor dem Hintergrund der im Herbst anstehenden Kongresswahlen in Amerika. Schon längst ist der Kampf um die Wählerstimmen der Christen erneut in vollem Gange – und die Diskussionen über "Gottes Politik" werden immer schärfer.
Von PRO

George W. Bush ist Republikaner. Die Partei gilt traditionell als konservativ und ihre Abgeordneten und Kandidaten für die überwiegenden Christen in den USA als einzig wählbare Volksvertreter, die Werte vertreten. Im Gegensatz zu den Demokraten, die als liberal und weltoffen gelten. Religion spielt zwar auch für die demokratische Partei eine gewichtige Rolle, doch die Mehrheit der Christen konnte etwa Bushs Gegenkandidat im Wahlkampf 2004, der bekennende Katholik John Kerry, nur bedingt überzeugen.

Nach dem Willen der demokratischen Partei soll sich das jetzt ändern. Spätestens bis zu den Kongresswahlen im Herbst dieses Jahres sollen den Republikanern die christlichen Wählerschichten streitig gemacht werden. In rund zwei Jahren, wenn Bushs Nachfolger – oder Nachfolgerin – zur Wahl steht, wollen sich die Demokraten als auch für Christen wählbare Partei etabliert haben. Schon jetzt spricht die möglicherweise erste Präsidentin der USA, Hillary Rodham Clinton von den Demokraten, immer öfter über Religion, Christentum und Moral – aus gutem Grund.

Sind Konservativen „pro-kriegerisch und anti-wissenschaftlich“?

„Die Rückeroberung von Jesus Christus“ betitelte das Internetportal „Spiegel Online“ einen Beitrag über die neue „religiöse Linke“ in den USA. Umfragen zufolge ließen sich immerhin 27 Prozent der US-Bevölkerung der Gruppe der „Religious Left“ zuordnen, schreibt Autor Sebastian Heinzel. „Damit ist sie zwar kleiner als die religiöse Rechte (38 Prozent), aber größer als das Lager der überzeugten Säkularen (21 Prozent).“

Um den Republikanern wichtige Wählerstimmen abzunehmen, fahren die „religiösen Linken“ schwere Geschütze gegen die „religiösen Rechten“ auf: Bush, den Republikanern und konservativen Christen wird schlicht vorgeworfen, statt gegen die Armut im Land, Umweltverschmutzung oder den anhaltenden Irak-Krieg vorzugehen, lieber gegen Abtreibung, Homo-Ehe oder Evolutionstheorie zu Felde zu ziehen. Mit dieser pauschalen Beurteilung der politischen Meinung von Christen stoßen „die Linken“ auf offene Ohren im Wählervolk. Dass aber nicht alle konservativen Christen etwa den Irak-Krieg gutheißen und gleichzeitig gegen Abtreibung sind, wird hier schnell vergessen. Doch vielleicht gehören diese Pauschalitäten auch zur Politik und in einen Wahlkampf, der die Christenheit vehement in „religiöse Rechte“ und „religiöse Linke“ spalten will.

„Die linke Hand Gottes“

Natürlich haben „die Linken“ ihre intellektuellen Köpfe, die in Bush und den Republikanern ihr erklärtes Zielobjekt sehen, das verbal beschossen wird. Vor wenigen Tagen erschien in den USA das Buch „The Left Hand of God – Taking Back our Country from the Religious Right“ („Die linke Hand Gottes – Rückeroberung unseres Landes von den religiösen Rechten“) von Michael Lerner. Der Rabbiner aus San Francisco hat sich mit seinem Buch auf die Seite der Demokraten geschlagen und schreibt unter anderem: „Die unheilige Allianz der politisch Rechten und religiösen Rechten droht, das Amerika, das wir lieben, zu zerstören.“ Religiöse Überzeugungen würden mit „pro-kriegerischen“ und „anti-wissenschaftlichen“ Werten identifiziert. Die Republikaner hätten in den vergangenen Jahren die Stimmen der konservativen Christen für sich gewinnen können, die Demokraten aber müssten sich endlich „in Stellung bringen“, um das Weiße Haus und den Kongress für sich zu gewinnen.

Im November 2005 schon veröffentlichte der Theologe, Kolumnist und Autor Jim Wallis das Buch „God’s Politics – Why the Right Gets it Wrong and the Left Doesn’t Get it“ („Gottes Politik – Warum sie die Rechten falsch verstehen und die Linken gar nicht“). Darin vertritt Wallis die Ansicht: „Die Rechten in Amerika missbrauchen die Sprache des Glaubens, um ihre politischen Ziele umzusetzen. Ziele, die nicht alle Gläubigen teilen. Die Linken machen es nicht viel besser, sie ignorieren den Glauben und trennen moralischen Diskurs und persönliche Ethik von öffentlicher Politik.“ Die Konservativen reklamierten zudem Gottes Weg als den ihren, die „Linken“ betrieben eine unrealistische Trennung zwischen religiösen Werten und auf Moral gegründeter politischer Führung.

Trennlinien in den „Vereinigten“ Staaten

Beide Bücher sind nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs und zumindest Wallis‘ Buch schon lange ein Bestseller. Wie der „Spiegel Online“-Autor schreibt, fänden beinahe wöchentlich Veranstaltungen der „religiösen Linken“ irgendwo in Amerika statt, auf dass die Gruppe weiter wachse und Wählerstimmen sammele. Kürzlich habe sich der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Howard Dean, gar in die Talkshow des konservativen US-Predigers Pat Robertson gewagt: „Doch eine seiner Aussagen stieß sehr viele Zuseher vor den Kopf: Demokraten hätten ‚mit der christlichen Gemeinschaft sehr viel gemeinsam‘, sagte Dean – und zog damit ungewollt eine Trennlinie zwischen Christen und Demokraten.“ Dass diese Trennlinie aber entgültig überwunden werden soll, will die „religiöse Linke“ ihren potentiellen Wählern ja gerade klar machen.

Dass mit einer pauschalen Einteilung der Christen in die „linke und rechte Hand Gottes“ aber eine andere Trennlinie zementiert wird, scheint zumindest im Wahlkampf wenig relevant. Das ist nicht nur verheerend für die Politik, sondern auch für die Kirchen und Gemeinden in den „Vereinigten“ Staaten von Amerika.

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