Christen im Journalismus: „Wie Gott in die Zeitung kommt“

K a s s e l (KEP) - Mehr als 50 Christen, die hauptberuflich als Journalisten arbeiten, haben sich an diesem Wochenende zu einer ersten Tagung des Netzwerkes "publicon" in Kassel getroffen. Unter den Teilnehmern waren sowohl Journalisten von Rundfunksendern wie ZDF, MDR, NDR, "Deutsche Welle" oder WDR, Printmedien wie der "Wirtschaftwoche", der "Bild"-Zeitung oder "Handelsblatt" als auch Pressereferenten aus Politik und Wirtschaft sowie Journalisten christlicher Publizistik.
Von PRO

Wolfgang Baake, Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP (Wetzlar), bezeichnete die Tagung als die „Erfüllung eines lange gehegten Wunsches, Gleichgesinnte zusammenzubringen, die hauptberuflich als Journalisten tätig sind“. Ziel von „publicon“ sei es, ein „Netzwerk über die Redaktionsgrenzen hinweg“ zu sein. „Christen haben auch den Auftrag, füreinander da zu sein, einander zu stützen, wenn Probleme auftreten, Sorgen und Erfolge miteinander zu teilen.“

Christen, die als Journalisten arbeiten, seien gefordert, sich nicht voneinander abzugrenzen und nicht den Anschein zu erwecken, aufgrund ihres Glaubens besser zu sein. Baake betonte zudem die Wichtigkeit von regionalen Treffen christlicher Journalisten, wie diese etwa in Berlin oder Hamburg stattfinden. „Unser Ziel ist es, auch in weiteren Regionen Journalistenkreise zu gründen, in denen sich Christen austauschen und unterstützen können“, so der KEP-Geschäftsführer.

„publicon – Christen im Journalismus“

Initiiert wurde die Tagung von dem Gründungskreis des Netzwerkes „publicon“, zu dem neben KEP-Geschäftsführer Wolfgang Baake die Journalisten Thorsten Alsleben (Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio), Christina Bachmann (Korrespondentin, dpa-rufa), Kirchenrat Dan Peter (Publizistikreferent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg), Dr. Hartmut Spiesecke (Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbandes der Deutsche Phonographischen Wirtschaft), Dr. Markus Spieker (Korrespondent im Hauptstadtstudio MDR-Fernsehen), Egmond Prill (Öffentlichkeitsreferent des Christlichen Medienverbundes KEP) sowie Andreas Dippel (Redaktionsleiter des Christlichen Medienverbundes KEP) gehören.

Nicolaus Fest: „Nicht immer berechtigte Kritik an ‚Bild‘!“

Den Auftakt der Tagung bildete ein Referat und anschließende Diskussion der Teilnehmer mit Dr. Nicolaus Fest, Mitglied der Chefredaktion der „Bild“-Zeitung. Fest plädierte dafür, die vielfach kritisierte Boulevard-Zeitung nicht pauschal zu verurteilen, sondern die positiven Elemente und Chancen wahrzunehmen, christlichen Themen in Deutschlands auflagenstärkster Tageszeitung zu platzieren. So sei die „Volksbibel“, die von der „Bild“ in Kooperation mit dem „Weltbild“-Verlag herausgegeben wurde, ein Beispiel dafür, wie christliche Werte „unter das Volk“ gebracht werden. Gleichzeitig nahm Fest Stellung zu den zahlreichen kritischen Anfragen an die „Bild“-Zeitung, die nicht nur Christen stellen. Themen der Diskussionsrunde waren „Kampagnenjournalismus“, sexuell-aufreizende Fotos und Artikel oder die Vereinbarkeit von ethischen Ansprüchen des Journalismus mit der Publikation einer Boulevard-Zeitung.

Wolfgang Stock: „Bitte keine pharisäerhafte Verurteilung“

Wolfgang Stock, Lehrbeauftragter für Fachjournalistik an der Universität Gießen und früherer Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und des Nachrichtenmagazins „Focus“ sowie zuletzt geschäftsführender Chefredakteur des Forschungsinstituts „Medien Tenor“, sprach in seinem Vortrag von einer „frustrierenden Analyse der Frage, wie oft Gott in den Medien vorkommt“. „Obwohl an jedem Sonntag mehr Menschen in die Kirche und in Gemeinden gehen, um von Gott zu erfahren, als Menschen in Fußballstadien gehen, steht am Montag mehr über Sport als über Gott in der Zeitung. Hier sind die Journalisten gefordert, die als Christen in ihrem Beruf arbeiten“, so Stock. Analysen hätten ergeben, dass die Berichterstattung über kirchliche Themen etwa in den Fernsehnachrichten aus rund einem Prozent bestünden. „Allein die Berichtserstattung über den Radsport kommt doppelt so häufig vor wie Berichte über evangelische und katholische Kirche, Freikirchen und jüdische Glaubensgemeinschaften.“ Nach Ansicht der Medien sei daher der Radsport doppelt so wichtig wie die Kirchen.

Eine große Ausnahme bilde einzig die „Bild“-Zeitung, in der die Bibel und die Berichte über den Papst einen breiten Raum in der Berichterstattung einnehmen. „Christen dürfen hier nicht pharisäerhaft kritisieren. Ich glaube, Gott freut sich mehr über eine Bibelzeile in dem Umfeld einer Boulevardzeitung als über keine“, sagte Stock. Gerade christliche Journalisten müssten sich fragen, wann sie zuletzt Glaubensthemen in ihrem Wirkungsbereich eingebracht haben.

Friedhelm Loh: „Wir haben von Gott eine Aufgabe“

Um das Thema „Mit christlichen Werten führen“ ging es in einem Gespräch von ZDF-Redakteur Thorsten Alsleben mit Friedhelm Loh, Vorstandsvorsitzender der Friedhelm-Loh-Group (Haiger) und der Stiftung Christliche Medien (Witten). Der engagierte Christ und Unternehmer wies darauf hin, dass es „kein christliches Unternehmen gibt, sondern immer nur Christen in Unternehmen“. In einer säkularen Welt haben Christen eine „besondere Verantwortung, eine von Gott gegebene Aufgabe, eine Berufung, zu ihrem Glauben zu stehen und Menschen zum Glauben einzuladen“. Die entscheidende Frage sei: „Welches Weltbild prägt eine Führungskraft? Diese Grundüberzeugungen führen zu Entscheidungen, die häufig erst im Rückblick als richtig nachvollziehbar sind.“ Eine Führungskraft müsse vor allem in ihrem Handeln ethisch glaubwürdig bleiben und nach den Maßstäben handeln, die diese auch von den Mitarbeitern erwarte.

Markus Spieker: „Nicht immer können wir über christliche Themen berichten“

Der MDR-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin, Markus Spieker, stellte die Frage nach dem Selbstverständnis von Christen im Journalismus. „Für uns muss es selbstverständlich sein, zunächst unseren Beruf professionell auszuüben. Doch Christen sollen sich auch in der Gesellschaft engagieren: Nicht immer können wir über christliche Themen berichten und sollten uns daher umso mehr auch in der christlichen Publizistik einsetzen und in Initiativen einsetzen, die Christliches voranbringen“, so Spieker.

Das Netzwerk „publicon“ plant nach der erfolgreichen Tagung in den Räumen der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Plansecur in Kassel bereits eine zweite Tagung, die im kommenden Jahr stattfinden soll.

Ausgewählte Beiträge der Referenten der „publicon“-Tagung lesen Sie auch in der kommenden Ausgabe unseres Christlichen Medienmagazins pro, die Anfang November 2005 erscheint.

Weitere Informationen im Internet unter www.publicon.org

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