Campino: Grenze überschritten bei Diskriminierung von Religionsformen

Der „Die Toten Hosen“-Sänger Campino hat bei der Echo-Verleihung die als antisemitisch kritisierten Texte der Rapper Kollegah und Farid Bang als Grenzüberschreitung verurteilt. Damit blieb er der Einzige, der die Debatte auf der Bühne kritisch aufgriff.
Von PRO
Campino übt scharfe Kritik an den Textzeilen der Rapper Kollegah und Farid Bang (Archivbild)

Die Verleihung des Musikpreises Echo war dieses Jahr geprägt von der Kontroverse um die Rapper Kollegah und Farid Bang. Aufgrund der Textzeile „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ aus dem Lied „0815“ werfen Kritiker ihnen Antisemitismus vor. Nachdem sich der Ethikrat des Echos mit dem Fall beschäftigt hatte, durften die Künstler trotzdem am Donnerstag in der Berliner Messe auf die Bühne.

Die einzige öffentliche Kritik kam von Campino, dem Sänger der Rockband „Die Toten Hosen“. Die Gruppe wurde in der Kategorie Rock National ausgezeichnet. Campino nutzte seine Dankesrede und bezog Stellung zu der Kontroverse. „Dieses Lied löst gerade eine Debatte aus, wie weit Kunst und Meinungsfreiheit gehen darf“, sagte der Sänger.

Campino: Grenze überschritten

Er habe mit seiner Band selbst mit Provokation und Tabubrüchen gearbeitet, er sei also „vom Fach“. Gerade in der Rap-Musik gehörten Grenzüberschreitungen dazu. Doch jeder Künstler müsse für sich eine Grenze ziehen. Für Campino sei die Schmerzgrenze überschritten, „wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen gegen Andersdenkende geht und auch um die Diskriminierung jeder anderen Religionsform“.

Der Sänger habe über den Boykott der Veranstaltung nachgedacht. Campino habe sich jedoch dagegen entschieden. „Wer boykottiert, der kann nicht mehr diskutieren. Wer nicht diskutiert, überlässt das Feld den anderen, und denen, die sich unter Umständen noch als Opfer darstellen, obwohl ihnen keine Opferrolle zusteht“.

Rapper: Nicht als „moralische Instanz“ aufspielen

Die Rapper Kollegah und Farid Bang wurden bei der diesjährigen Preisverleihung mit einem Echo in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet. Auf der Bühne nannten sie Campino einen „großen Künstler“, kritisierten dessen Aussagen aber als „stillos“ und sagten, dass ihm solche nicht gebührten. Er solle sich nicht als „moralische Instanz“ aufspielen, um sie „an den Pranger zu stellen“. Kollegah machte sich mit einer Karikatur lustig über den „Die Toten Hosen“-Sänger. Das gezeichnete Bild zeigte Campino mit einem Heiligenschein. Die Zeichnung wolle er für einen guten Zweck versteigern lassen.

Am Rande der Veranstaltungen wurden unterschiedliche Künstler auf die Debatte angesprochen. So erklärte „BAP“-Sänger Wolfgang Niedecken der Funke-Mediengruppe: „Auschwitz-Vergleiche gehen nicht, Holocaust-Vergleiche gehen nicht. Das ist einfach unmöglich. Der Holocaust ist mit nichts zu vergleichen. Wenn man das als Sprungbrett, um in die Medien zu kommen, benutzt, dann ist das geschmacklos.“ Die Travestie-Künstlerin Olivia Jones erklärte: „Farid Bang und Kollegah hätten ausgeladen werden sollen. So etwas können wir im Moment gar nicht gebrauchen, die einfach nur sinnlos wirklich Hass säen, nur um sich zu promoten.“

Antisemitismusbeauftragter: „Das ist inakzeptabel“

Felix Klein, den das Bundeskabinett am Mittwoch zum Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus berufen hat, erklärte in der Bild-Zeitung: „Das ist inakzeptabel. Solche Zeilen verletzten nicht nur Holocaust-Überlebende, sondern auch ihre Familien. Das missbraucht die Kunstfreiheit. Es ist sehr problematisch, dass damit auch noch Hunderttausende junger Menschen erreicht werden. Einer renommierten Veranstaltung wie die Echo-Preisverleihung ist das nicht würdig.“

Der Echo ist der bekannteste deutsche Musikpreis. Die Deutsche Phono-Akademie, das Kulturinstitut des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), verleiht den Preis seit 1992 jährlich. Wer einen Echo gewinnt, entscheiden gleichberechtigt der Chartserfolg und das finale Jury-Votum, heißt es von den Organisatoren.

Von: Martina Blatt

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