Bundestag: Entwicklungshilfe für Christen im Irak

Über Religionsfreiheit und Christenverfolgung haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am Freitag diskutiert. Während die Union sich dafür einsetzte, bedrängte Christen stärker zu schützen, forderte die Opposition, das Augenmerk auch auf andere bedrängte Glaubensgemeinschaften zu richten – etwa die Muslime in Europa.

Von PRO

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hat im Bundestag einen stärkeren Einsatz für verfolgte Christen in aller Welt gefordert. "Das Recht auf freie Religionsausübung gehört zur Menschenwürde dazu", sagte er. Die Politik müsse dies öffentlich machen und darüber reden, aber es könne nicht nur bei Worten bleiben. Deshalb forderte er die Bundesregierung dazu auf, im kommenden Jahr eine Entwicklungszusammenarbeit zu organisieren, die den Christen im Irak zugute kommen soll. Besonders dort würden Christen bedroht und verfolgt. Wenige Tage vor dem Christfest müssten sie in Bagdad Mauern um ihre Kirchen ziehen, um Weihnachten in Frieden feiern zu können. "Es kann nicht unser Ziel sein, dass in der Welt christenfreie Zonen entstehen", sagte Kauder.

Der CDU-Politiker verurteilte außerdem die im Dezember von den UN erneut angenommene Resolution gegen die Diffamierung von Religionen. Mitglieder der Organisation Islamischer Länder (OIC) bringen diese jährlich in die UN-Generalversammlung ein. Die Resolution spricht sich unter anderem gegen eine "Diskriminierung" des Islam in den Medien aus. Kritiker befürchten dadurch eine Einschränkung der Pressefreiheit. Kauder erklärte, nicht der Islam müsse gegen Angriffe geschützt werden, sondern die einzelnen Gläubigen. Ein Menschenrecht dürfe niemals einem Kollektivrecht untergeordnet werden.

CSU-Politiker Johannes Singhammer forderte die Türkei dazu auf, den Christen im Land mehr Freiheiten zu garantieren. "Sorgen Sie mit der gleichen Entschlossenheit und Entschiedenheit dafür, dass Kirchen gebaut werden können, wie sie zu Recht verlangen, dass in Deutschland Moscheen neu gebaut werden können", sagte er. Erika Steinbach (CDU) erinnerte daran, dass Christen die am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft der Welt seien. Das Maß an Unterdrückung nehme besonders in muslimischen Ländern zu.

Lindner: Säkularismus fördert Glaubensfreiheit

Der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, erklärte, das Recht, nach dem Sinn des eigenen Lebens zu fragen, gehöre zum Menschen dazu. Erst der "offene Raum der Republik", der liberale und säkulare Staat, eröffne den Menschen die Freiheit, ihren Glauben zu leben. Lindner hatte jüngst mit der These für Debatten gesorgt, eine Betonung der christlich-jüdischen Identität in Deutschland stehe erfolgreicher Integration im Weg.

Die SPD-Fraktion forderte, das Augenmerk nicht nur auf verfolgte Christen, sondern auch auf andere bedrängte Glaubensgemeinschaften zu richten. Auch in Europa werde zunehmend über Religionsfreiheit gestritten, sagte Christoph Strässer. Diskutiert werde über die Burka in Belgien, das Kopftuchtragen an Frankreichs Schulen oder Minarette in der Schweiz. "Ich warne davor, zu denken, dass das Thema Religionsfreiheit in Europa durch sei", erklärte er. Minderheiten in allen Staaten müsse ihr natürliches Recht auf Religionsfreiheit garantiert werden, auch Muslimen und auch in Deutschland.

Beck: Der Türkei Christenverfolgung nicht durchgehen lassen

Auch der Fraktionsgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, kritisierte eine alleinige Fokussierung der Union auf verfolgte Christen. Die Freiheit der Menschen müsse verteidigt werden – ohne Ansehen des Bekenntnisses. Weiter sagte er, es gehöre zur Glaubensfreiheit dazu, für seinen Glauben werben zu dürfen. Das gelte auch für Christen in muslimischen Ländern. Betont werden müsse aber auch eine negative Glaubensfreiheit, also das Recht, nicht glauben zu müssen, sowohl für Christen in muslimischen Staaten, als auch für Atheisten in Deutschland. Der Türkei als Mitgliedsanwärter der EU dürfe Deutschland Glaubenseinschränkungen "nicht durchgehen lassen" – sowohl bei Christen, als auch bei Aleviten, die am Bosporus unterdrückt würden. Tom Koenigs von den Grünen erklärte, weite Teile Deutschlands erkennten die Religionsfreiheit des Islam nicht an. Es herrsche ein "antimuslimischer Affekt" vor.

Linken-Politiker Raju Sharma verurteilte das "Gerede von christlich-jüdischer Tradition" der Union. Religion und Staat müssten klar getrennt sein. Das bedeute auch, dass keine Kreuze in Schulen hängen dürften. "Wirkliche Religionsfreiheit kann nur in einer multireligiösen Gesellschaft, in einem säkularen Staat entstehen", sagte Sharma. Annette Groth von der Linken wies auf eine zunehmende Stimmungsmache gegen den Islam in Deutschland hin. Deshalb müssten die Beteiligungsrechte der Muslime in Deutschland ausgebaut werden, etwa in Schulen und öffentlich-rechtlichen Medien.

"Wer nicht an die Hölle glaubt, soll in den Irak kommen"

Angestoßen hatte die Bundestagsdebatte die CDU/CSU-Fraktion. In einem Antrag zum Thema "Religionsfreiheit weltweit schützen" hatten die Unionsparteien dafür plädiert, dass sich eine "wertegebundene deutsche Außenpolitik" auch im internationalen Kontext für das "elementare Menschenrecht auf Religionsfreiheit" einsetzt. Gasthörer im Bundestag waren am Freitag unter anderen der Patriarchalvikar der türkischen Chaldäisch-Katholischen Kirche, François Yakan, der Bischof von Trier und Vorsitzende der Deutschen Kommission "Justitia et Pax", Stephan Ackermann, der Bevollmächtigte des Rats der EKD, Prälat Bernhard Felmberg, der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, Wolfgang Baake, und der Weihbischof von Babylon im Irak, Schlemon Warduni. In einer anschließenden Pressekonferenz erklärte dieser: "Wer nicht an die Hölle glaubt, der soll mal eine Woche in den Irak kommen, um zu sehen, wie Christen hier leben." Bereits im Juli hatte sich der Bundestag mit der Verfolgung religiöser Minderheiten auseinandergesetzt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) nannte den Einsatz für Religionsfreiheit damals ein "zentrales Anliegen der Bundesregierung".(pro)

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