Bundestag beschließt Gesetz gegen Hass im Netz

Der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet verabschiedet. Soziale Netzwerke müssen künftig strafbare Posts dem Bundeskriminalamt melden. Auf Gewaltandrohung im Internet drohen jetzt Freiheitsstrafen von bis zwei Jahren.
Von Norbert Schäfer
Anbieter sozialer Netzwerke müssen nun strafbare Inhalte dem Bundeskriminalamt melden

Hass und Hetze im Internet werden in Zukunft stärker verfolgt und bestraft. Das hat der Deutsche Bundestag am Donnerstag in Berlin beschlossen. Das neue Gesetz soll nach dem Willen der Bundesregierung und der Regierungsparteien von CDU/CSU und SPD den Rechtsextremismus und die Hasskriminalität im Internet und den sozialen Netzwerken eindämmen und aggressives Auftreten, Einschüchterung und Androhung von Straftaten bekämpfen und unter Strafe stellen.

Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD stimmten für ihren Entwurf, Linksfraktion und AfD lehnten ihn ab, die FDP und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Das neue Gesetz ergänzt das seit 2017 geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bei der Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz.

Meldepflicht für Betreiber sozialer Netzwerke

Das neue Gesetz nimmt besonders die sozialen Medien ins Visier. Wer einer Person im Internet, auch Kommunalpolitikern und Personen des öffentlichen Lebens, körperliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe androht, kann dafür mit bis zu zwei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Bislang galt lediglich die Androhung von Mord als strafbare Handlung. Wer öffentlich eine Morddrohung ausspricht, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren rechnen.

Das Gesetz sieht als eine zentrale Neuerung die Einführung einer Meldepflicht der Anbieter sozialer Netzwerke im Sinne des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vor. Betreiber der sozialen Netzwerke werden verpflichtet, bestimmte strafbare Inhalte – darunter Neonazi-Propaganda, Volksverhetzung, die Androhung von Gewalt, Mord und Vergewaltigung – an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden. Zur Strafverfolgung sollen auch sensible Daten wie die IP-Adressen von den Netzwerkbetreibern dem BKA übermittelt werden. Für die Weitergabe von Passwörtern an das BKA ist ein richterlicher Beschluss erforderlich. Bisher waren die Betreiber sozialer Netzwerke lediglich dazu verpflichtet, die entsprechenden Posts zu löschen.

Opposition bemängelt Sammeln von Daten und Einschränkung der Meinungsfreiheit

Johannes Fechner (SPD) stellte in seiner Rede vor dem Parlament fest, dass sich „Hass und Hetze gerade aus der rechtsradikalen Ecke immer mehr im Netz ausbreitet“. Aus den Worten folgten Taten. Die „Vergiftung der Gesellschaft“ dürfe nicht hingenommen werden. Das neue Gesetz von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) stelle neben Gewaltandrohung auch die Androhung von Sexualstraftaten unter Strafe. Für viele Frauen, die im Internet „gestalkt“ würden, sei daher das neue Gesetz ebenfalls eine ganz wichtige Maßnahme. Mit dem neuen Gesetz soll auch Personal in Notaufnahmen und Rettungsdiensten vor Drohungen und Gewalt geschützt werden.

In der Debatte prangerte Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) die „Verrohung, die wir im Netz erleben“, an und bezeichnete sie als „eine Bedrohung“ für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das Gesetz ziele auf den Schutz der Meinungsfreiheit im Internet. Der Versuch, Menschen im Internet mundtot zu machen, verhindere hingegen den freien Diskurs. Luczak nannte das Gesetz einen „großen Schritt“ zu Wahrung von Recht und Ordnung auch im Internet. „Unser Rechtsstaat gilt“, sagte er, und ergänzte: „Digital und real.“

Stephan Brandner (AfD) geißelte in seiner Rede vor allem „linke Straßenterroristen“ und „straff organisierte linke Chaoten“, deren Straftaten die Altparteien kultiviert hätten. Verfolgt oder aufgeklärt würden diese Straftaten jedoch nie. Das Gesetz greife „alte linke Sprachbegriffe und Floskeln“ auf, sagt Brandner, die aus „dem Duktus der untergegangenen DDR“ stammten. Der AfD-Politiker warf der Regierung einen „einseitigen Blick nach rechts“ vor mit der Absicht, alles strafbar zu machen, was „bürgerlich-patriotisch oder ansonsten vernünftig“ sei. „Der Hass kommt überwiegend von links“, stellte Brandner fest. Das Gesetz verwische bewusst die Grenze der Meinungsfreiheit.

Benjamin Strasser (FDP) forderte von der Regierung, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft für den europaweiten Kampf gegen den Rechtsextremismus zu nutzen. Renate Künast (Grüne) sprach sich dagegen aus, „massenhaft Daten von privaten Diensteanbietern an das BKA“ weiterzugeben. Niema Movassat (Linke) lehnte für seine Fraktion ebenfalls die „Datensammelei“ ab.

Hintergrund

In einem Interview des ZDF verteidigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstagmorgen den Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Bürger. „Wir erleben, dass unglaublich viele Menschen durch Hasskommentare, durch Hetze im Internet sich zurückziehen, ihre Meinung nicht mehr äußern.“ Lambrecht sieht darin eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und die Demokratie. Es dürfe nicht akzeptiert werden, dass Bürger mundtot gemacht würden. „Keiner der im Netz hetzt, der Hass verbreitet, kann sich sicher sein“, sagte Lambrecht. Alle Ermittlungsmöglichkeiten sollen bei der Strafverfolgung ausgeschöpft werden. Nicht jede Beleidigung würde in Zukunft mit dem neuen Gesetz verfolgt, sagte Lambrecht. Das neue Gesetz verpflichtet Facebook, Twitter und andere Anbieter, strafrechtlich relevante Inhalte dem BKA mitzuteilen. Beim BKA werden dazu nach Angaben von Lambrecht 300 Stellen in einer zentralen Anlaufstelle neu geschaffen.

Als Auslöser für das Gesetz gelten der antisemitische Anschlag auf eine Synagoge im Oktober 2019 in Halle und die Ermordung von Regierungspräsident Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten im Juni 2019. Bei dem gescheiterten Attentat auf die Synagoge tötete der mutmaßlich rechtsextreme Attentäter in Halle auf der Flucht eine Passantin und einen Gast in einem Straßenimbiss. Der Attentäter hatte Motive und Vorbilder seiner Tat im Internet gefunden, die Tat dort angekündigt und schließlich die Bluttat live ins Internet übertragen.

Von: Norbert Schäfer

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