Bundesregierung: „Homosexualität nicht therapierbar“

Es hat fast drei Wochen gedauert, bis die Bundesregierung die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen über "Antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote religiöser Fundamentalisten" beantwortet hat. Den Anstoß hatte ein geplantes Seminar auf dem "Christival" gegeben. Seit Dienstag nun liegt die Antwort vor - in der das Bundesfamilienministerium bei Fragen nach der Einschätzung von Homosexualität auf Distanz zur evangelikalen Position geht.
Von PRO

Am 24. Januar hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Initiative ihres Parlamentarischen Geschäftsführers Volker Beck die Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Darin verurteilen sie „antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote religiöser Fundamentalisten“ und fragen die Bundesregierung, wie diese etwa zur Frage der Therapie von Homosexualität stehe. Hintergrund ist die Kontroverse um ein Seminar über Homosexualität, das von dem „Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“ auf dem Christival in Bremen angeboten werden sollte. Das Institut gehört dem Verein Offensive junger Christen (OJC) an. In dem Seminar sollte es auch um die Frage des Umgangs mit Homosexualität und möglichen Therapieformen gehen.

Dagegen hatte sich der Grünen-Politiker Beck gewandt und scharfe Kritik an dem Seminar geübt. Unter anderem verurteilte Beck die Ansicht, Homosexualität sei heilbar. Der Politiker ist selbst bekennender Homosexueller. Er fordert zudem Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf, ihre Schirmherrschaft des „Christivals“ zurückzugeben. Das „Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft“ wies Becks Kritik mit dem Hinweis zurück, dass es lediglich um Menschen gehe, „die ihre homosexuellen Impulse als unvereinbar mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Lebenszielen erfahren“.

Wie steht die Bundesregierung zur Homosexualität?

An die Öffentlichkeit wandte sich Beck mit zahlreichen Presseerklärungen – an die Bunderegierung adressierte seine Fraktion eine Kleine Anfrage. Die Unterzeichner fragen unter anderem: „Sind der Familienministerin die Publikationen des Vorsitzenden von ‚Christival‘, Roland Werner, bekannt, in denen er Thesen der Ex-Gay-Bewegung vertritt, einschließlich der Behauptung, homosexuelle Gefühle seien Symptome einer tieferliegenden Identitätskrise, und wie beurteilt die Ministerin diese Aussagen?“ Sie verweisen dabei auf Bücher und Texte Werners wie etwa „Homosexualität und Lebenserneuerung“, „Christ und homosexuell?“ oder „Homosexualität – ein Schicksal? Innere Heilung, Lebensbilder, Thesen zur Seelsorge, das Zeugnis der Bibel“. Die Grünen-Politiker verlangten zudem eine Stellungnahme des Ministeriums zu den Aktivitäten anderer christlicher Organisationen wie „Campus für Christus“, „Wüstenstrom“, „Freundschaftsnetzwerk.de“, „Living Waters Berlin“ oder „Weißes Kreuz“.

Zudem wollten die Grünen konkret wissen, wie das Familienministerium zu Fragen der Therapiemöglichkeit von Homosexualität stehe. Seit dem 12. Februar liegt nun die Antwort auf die Anfrage vor. Darin heißt es etwa: „Die Bundesregierung vertritt weder die Auffassung, dass Homosexualität einer Therapie bedarf, noch dass Homosexualität einer Therapie zugänglich ist.“ Unterzeichner der Antwort ist der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Kues.

Homosexualität werde „seit über 20 Jahren von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler aus Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie nicht als psychische Erkrankung angesehen“. In der Fachwelt habe sich die Position durchgesetzt, dass Homosexualität nicht als „Störung der psychosexuellen Entwicklung“ beurteilt werden könne. Weiter heißt es in der Antwort der Bundesregierung: „Wenn so genannte ‚Konversionstherapien‘ durch Organisationen oder Gruppierungen angeboten und beworben werden, so können hier unterschiedliche, meist religiöse oder weltanschauliche Motive eine Rolle spielen, die sich einem empirisch-wissenschaftlichen Ansatz entziehen.“

Bundesregierung: „‚Christival‘ ist nicht antihomosexuell“

Auf die Frage der Grünen-Fraktion, ob die übernommene Schirmherrschaft über „antihomosexuelle Veranstaltungen“ vereinbar sei mit der Antidiskriminierungspolitik der Regierung, antwortet das Ministerium: „Es handelt sich beim ‚Christival 2008‘ nicht um eine antihomosexuelle Veranstaltung.“ Zur Frage nach den Beweggründen heißt es weiter: „Das ‚Christival‘ ist ein konfessionsübergreifender Kongress junger Christen in Bremen und ist die vierte Veranstaltung dieser Art seit 1976. Der Kongress möchte junge Christen motivieren und befähigen, ihre christliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen. (…) Mit der Übernahme der Schirmherrschaft durch die Bundesministerin (…) ist eine Anerkennung der christlichen Kinder- und Jugendarbeit und eine Unterstützung der durch das ‚Christival‘ angeregten Impulse für die Stärkung junger Menschen verbunden, sie zur Selbstbestimmung zu befähigen und zur gesellschaftlichen Mitverantwortung sowie zum sozialen Engagement anzuregen.“

Weiter wird das „Christival“ als „Impulsgeber für die christliche Kinder- und Jugendarbeit der kommenden Jahre“ bezeichnet. Nach eigenen Angaben war es dem Bundesfamilienministerium vor der Zusage der Schirmherrschaft von der Leyens für das Christival nicht bekannt, dass ein Seminar „Homosexualität verstehen – Chance zur Veränderung“ im Programm angeboten wurde. Nach Bekanntwerden des Seminars sei jedoch „nach Intervention – auch aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – das Seminar aus dem Programm (…) genommen“ worden.

Fragen der Grünen nach dem Engagement des „Christival“-Vorsitzenden Roland Werner etwa im „sog. Wissenschaftlichen Beirat des sogenannten Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft“ werden nur knapp beantwortet: „Der Bundesregierung war dies vorher nicht bekannt.“

Fragen auch in Bundestagssitzung am Mittwoch

Mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage war das Thema jedoch noch nicht ganz vom Tisch. Denn am Mittwoch haben neben Beck weitere Grünen-Abgeordnete Fragen in der Bundestagssitzung eingereicht, die sich mit der Thematik befassen. Etwa diese: „Welche Maßnahmen oder Veranstaltungen oder Veranstaltungsteile des oder für das ‚Christival 2008‘ vom 30. April bis 4. Mai 2008 in Bremen werden aus Mitteln des Bundeshaushalts direkt oder indirekt über welche Träger (Christival e. V., Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e. V., CVJM o. a.) gefördert?“ Oder: „Welche einzelnen Seminare und Themenstellungen sind in diese Förderung einbezogen bzw. einbezogen gewesen (z. B. Seminartitel 644: ‚Homosexualität verstehen‘ – Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft; Seminartitel 650: ‚Tabuthema: Jungen als Opfer sexuellen Missbrauchs‘ – Wüstenstrom e. V.; Seminartitel 642: ‚Sex ist Gottes Idee – Abtreibung auch?‘ – Dr. Markus Arnold, Schwangerschaftskonfliktberater, Die Birke e. V.), und wie beurteilt die Bundesregierung diese aus humanwissenschaftlicher Sicht und unter Gesichtspunkten des Jugendschutzes?“

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