Bundesinnenminister zur islamistischen Bedrohung: „Kein Grund zur Entwarnung“

Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus ist weiterhin das zentrale Thema für die Sicherheitsbehörden in Deutschland. Dies hob Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bei der Vorstellung des ersten Verfassungsschutzberichtes seiner Amtszeit am heutigen Freitag in Berlin hervor. In einem Interview mit dem "Straubinger Tagblatt" warnte der Minister ebenfalls vor der Gefahr des Islamismus.
Von PRO

"Die islamistisch-terroristische Bedrohung existiert in großer Vielfalt und konzentriert sich längst nicht mehr auf den einen Anführer von ‚Al Qaida’", sagte der Innenminister bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Es gebe daher keinen Grund zur Entwarnung. Wie das Bundesinnenministerium mitteilt, gab es Ende 2010 in Deutschland bundesweit 29 aktive islamistische Organisationen mit 37.370 Mitgliedern und Anhängern. Dabei seien die Salafisten die weltweit am schnellsten wachsende Grupppe der islamistischen Bewegung. Die Verfassungschutzbehörden beobachteten bundesweite, netzwerkartige salafistische Strukturen. Mit Hilfe des Internets missbrauchten Salafisten vor allem die Begeisterungsfähigkeit Jugendlicher. Das Bundesinnenministerium habe daher bereits 2010 damit begonnen, mit vereinsrechtlichen Maßnahmen dagegen vorzugehen.

Laut Verfassungsschutzbericht geben Salafisten vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran, dem Propheten Muhammad und an den vermeintlichen Vorstellungen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit auszurichten. Die Mehrzahl der salafistischen Einrichtungen erziele ihre Breitenwirkung in Deutschland insbesondere über das Internet und eigens entwickelte Propagandaaktivitäten, die vor allem auf junge Muslime Anziehungskraft ausübten und radikalisierungsfördernd wirkten.

In dem Interview mit dem "Straubinger Tagblatt" machte Friedrich bereits am Donnerstag deutlich, dass insbesondere die sogenannten salafistischen Gruppen bewusst darauf abzielen, "junge Leute, die nach Orientierung und Halt suchen", für ihre Ideologie zu gewinnen. "Deswegen müssen wir uns dieser ‚Gefahr aus dem Netz‘ bewusst werden", sagte der Minister. "Wir haben es mit Hasspredigern im Internet zu tun." Diese machten das sehr geschickt, weil sie ganz gezielt junge Leute ansprächen und diesen eine geschlossene ideologische Weltsicht anböten.

Internet ist wichtigstes Medium für Islamisten

Das Internet ist das wichtigste Kommunikations- und Propagandamedium für Islamisten und islamistische Terroristen, heißt es im aktuellen Bericht des Bundesverfassungsschutzes. Die Möglichkeiten dieses Mediums zur Bildung "virtueller" Netzwerke würden von "Jihadisten" und ihren Sympathisanten rege genutzt, indem sie über Diskussionsforen, Chatrooms und soziale Netzwerke wie Facebook und StudiVZ Kontakt zu Gleichgesinnten aufnähmen und sich über offen zugängliche oder passwortgeschützte Kommunikationsplattformen miteinander austauschten. Dabei würden vielfältige Formate genutzt. "So werden regelmäßig Videos, Audiodateien, Online-Zeitschriften und -Bücher, Bekennungen zu und Distanzierun- gen von Anschlägen, Interviews mit Anführern oder Mitgliedern ‚jihadistischer‘ Gruppierungen sowie Ehrungen von sogenannten Märtyrern veröffentlicht." Der Vorteil sozialer Netzwerke beziehungsweise offen zugänglicher Bereiche des Internets liege in der Erschließung eines breiten, nicht unbedingt dem islamistischen Spektrum zuzurechnenden Publikums. Dies erweitere die Möglichkeiten "jihadistischer" Gruppierungen, diese Personen zu indoktrinieren.

Freiräume für ein Scharia-konformes Leben

Der Verfassungsschutzbericht weist ferner darauf hin, dass diejenigen islamistischen Gruppierungen in Deutschland, die sich als Interessenvertretungen großer Teile der hier lebenden Muslime sehen, nach wie vor durch politische Einflussnahme und gezielte Öffentlichkeitsarbeit ihren Anhängern im Bundesgebiet in möglichst vielen Bereichen Freiräume für ein Scharia-konformes Leben schaffen wollten. Diese Gruppierungen betrachteten die Scharia als ein zu jeder Zeit gültiges, alle Lebensbereiche regelndes Gesetzessystem, dessen Anwendung langfristig unabdingbar sei. Mitgliederstärkste Gruppierung dieses Spektrums sei die "Islamische Gemeinschaft Millî Görüs". Ähnlich agierten die Anhänger der "Muslimbruderschaft" in Deutschland, als deren mitgliederstärkste Organisation die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland" mit den ihr angeschlossenen "Islamischen Zentren" angesehen werde.

Der Bundesverfassungsschutz berichtet darüber hinaus, dass "wieder Reisebewegungen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Deutschland in Richtung Afghanistan beziehungsweise Pakistan festgestellt" werden konnten. Einige dieser Personen stünden im Verdacht, im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet eine terroristische Ausbildung durchlaufen zu wollen oder bereits absolviert zu haben. "Insbesondere von diesem Personenkreis können bei einer erneuten Einreise nach Deutschland sicherheitsgefährdende Aktivitäten drohen."

Jugendliche vor Radikalisierung bewahren

Gegenüber dem "Straubinger Tagblatt" machte Friedrich ebenfalls deutlich, dass die Gefahr des Islamismus in Deutschland sehr konkret ist und belegte dies mit dem ersten vollendeten islamistischen Anschlag auf deutschem Boden am 2. März, bei dem zwei US-Soldaten erschossen wurden. Auf die Frage ob der Präventionsgipfel in Berlin notwendig gewesen sein, antwortete er, es müssten gemeinsame Aktivitäten flächendeckend in Deutschland umgesetzt werden, um Jugendliche vor Radikalisierung zu bewahren. Der Vorwurf, damit das Denunziantentum zu fördern, habe ihn getroffen. Deutschland sei kein Spitzelstaat. "Ich würde mir deshalb schon wünschen, dass die Muslime unseren Staat als Verbündeten, und nicht als Gegner ansehen", sagte der Minister.

Der Präventionsgipfel habe auch klar machen sollen, "dass die Muslime, ihre Verbände und Moscheevereine sehr wohl daran interessiert sind, gemeinsam mit uns gegen jede Radikalisierung und islamistische Gewalt vorzugehen". Vorwürfe mit dem Tenor, die Muslime würden unter Generalverdacht gestellt, seien böswillige Unterstellungen, vergifteten das Klima und sie brächten die Muslime nicht weiter. "Für uns ist klar: Wer in diesem Land lebt und die Absicht hat, hier mit seiner Familie zu bleiben, der muss sich emotional und politisch zu diesem Land bekennen." (pro)

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