Broder will den Kulturrats-Preis nicht, der HR schon

Marcel Reich-Ranicki hatte damals einen wichtigen Preis ausgeschlagen. Der Journalist Henryk M. Broder hatte den Journalistenpreis des Deutschen Kulturrates zunächst angenommen. Nun will der "Welt"-Autor ihn jedoch zurückgeben und begründet dies in einem offenen Brief an den Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Doch ist die Rückgabe des Preises überhaupt möglich, da er an die HR-Redaktion verliehen wurde?
Von PRO

Den Preis hatte die Fernsehredaktion "Politik und Gesellschaft" des Hessischen Rundfunks für das Format "Entweder Broder – Die Deutschlandsafari" erhalten. Die Jury begründete die Vergabe damit, dass dort ironisch Vorurteile über Muslime, Juden und Christen pointiert präsentiert würden. Neben "satirischen Überhöhungen der beiden Protagonisten Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad" würden auch gesellschaftspolitische Fragen wie Integration, Religionszugehörigkeit und kulturelle Vielfalt in Deutschland thematisiert, lautete das Votum der Jury.



"Unsägliche Stellungnahme"



Grund für den offenen Brief in der Tageszeitung "Die Welt" und die Rückgabe des Preises ist die Kritik des Kulturrat-Geschäftsführers an Thilo Sarrazins Besuch in Kreuzberg. Er könne die "unsägliche Stellungnahme" Zimmermanns in der "Berliner Morgenpost" nicht nachvollziehen, so Broder: "Es ist wirklich mehr als peinlich, wenn ‚Aspekte‘, ein renommiertes Kulturmagazin, es offensichtlich nötig hat, einen solch vorhersehbaren Eklat zu inszenieren. Wer Thilo Sarrazin unter sichtbarer filmischer Beobachtung durch Berlin-Kreuzberg und Neukölln schickt, kalkuliert mit wütenden Reaktionen", schreibt Broder in seinem Brief.

Besonders schlimm sei jedoch, dass sich Zimmermann mit seinen Aussagen auf die Seite des Pöbels stelle, der in Teilen von Kreuzberg mittlerweile das Sagen habe: "Selbst wenn Sarrazin und das ZDF vorgehabt hätten, einen Eklat zu inszenieren, so ist das in einer funktionierenden Demokratie, die nicht von Kulturräten verwaltet wird, ein legitimes Mittel, auf Umstände, Missstände und Zustände aufmerksam zu machen, deren Existenz gerne geleugnet wird", findet er deutliche Worte.



"Wie ein geprügelter Hund"



Stationen der ZDF-Kultursendung "Aspekte", die Sarrazin mit der Kamera in dem Berliner Stadtteil begleiteten, waren der "Türkenmarkt" am Maybachufer, ein türkisches Restaurant, in dem sich Sarrazin bei einem Mittagessen mit dem erfolgreichen Besitzer unterhalten wollte, und ein Besuch bei der Alevitischen Gemeinde. Doch an allen Stellen stieß der Ex-Bundesbankvorstand auf Ablehnung. "Die Türken servierten Thilo Sarrazin genau das, was er ihnen vorwirft: die Tendenz zum Beleidigtsein", schreibt "Zeit online" in seinem Beitrag. Sarrazin selbst schrieb in einem "Erlebnisbericht", dass er sich aus Kreuzberg weggeschlichen habe wie ein "geprügelter Hund".


Genau für solche Initiativen wie sie Sarrazin durchgeführt habe, habe Broder den Preis erhalten. Der Islamkritiker hatte unter anderem eine NPD-Versammlung, eine Runde ehemaliger Stasi-Funktionäre und einer Moschee in Duisburg besucht. "Im Lichte Ihrer Äußerungen zu Sarrazin finde ich nun, dass wir den Preis nicht verdient haben beziehungsweise, dass Sie der falsche Preisgeber sind. Ihre Haltung ist antiaufklärerisch, paternalistisch und reaktionär, sie fördert die Einrichtung von No-go-Areas, die es in einer offenen Gesellschaft nicht geben darf", sagte Broder, der Zimmermann gleichzeitig bat, "von weiteren Zumutungen Ihrerseits" abzusehen.



Wie die Nachrichtenagentur dpa meldet, stellte Zimmermann klar, dass der undotierte Preis an die Redaktion "Politik und Kultur" des Hessischen Rundfunks gegangen sei. Darf Broder den Preis also zurückgeben? Der Hessische Rundfunk bestätigte dem Evangelischen Pressedienst epd, dass er nicht beabsichtige, die Auszeichnung zurückzugeben. Dem Tagesspiegel sagte Broder: "Die haben die Redaktion, die Produktion und die beiden Kasper, also Hamed und mich, ausgezeichnet." Der Kulturrat vertritt 233 Organisationen und Bundeskulturverbände. (pro)

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