Blutiges Fest für verfolgte Christen

Dutzende Tote in Nigeria, 23 Opfer in Ägypten, elf Verletzte auf den Philippinen – das ist die traurige Bilanz des vergangenen Weihnachtsfestes. Auf der ganzen Welt wurden gezielt Anschläge auf Christen verübt. Deutsche Politiker haben die Verfolgung nun aufs Schärfste verurteilt. Experten meinen: Die Christenverfolgung weltweit nimmt spürbar zu.

Von PRO

Eine "blutige Hatz auf Christen" nennt die Deutsche Presse-Agentur (dpa) das, was sich an den Weihnachtsfeiertagen in Nigeria abgespielt hat. Mindestens 38 Menschen sollen bei Angriffen islamistischer Extremisten getötet worden sein. In und um die Stadt Jos im Zentrum des Landes explodierten Bomben, Dutzende Angreifer attackierten eine Kirche in der Stadt Maiduguri, Häuser gingen in Flammen auf, es soll sogar Feuergefechte gegeben haben. Dutzende Menschen starben noch nach den Anschlägen bei Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen. Die Gegend in Nigeria gilt als Pulverfass der Religionen. Schon im Frühjahr waren bei blutigen Auseinandersetzungen 500 Menschen ums Leben gekommen.

Überall auf der Welt bangten Christen in den vermeintlich beschaulichen Tagen rund um das Weihnachtsfest um ihr Leben. In der ägyptischen Hafenstadt Alexandria starben bei einem Selbstmordattentat vor einer koptischen Kirche 23 Menschen. Mindestens 79 Menschen wurden verletzt. Die "Welt" berichtet von einem Bombenanschlag während einer Weihnachtsmesse auf den Philippinen. Auf der Insel Jolo wurden Presseangaben zufolge elf Menschen verletzt. Unter den Opfern war auch der Pfarrer. Ein Sprengsatz war im Deckengewölbe einer Kapelle detoniert. Die Insel Jolo gilt als Hochburg von islamischen Extremisten der Gruppe Abu Sayyaf, die Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Qaida haben soll. Schon im Vorfeld der Festtage hatten Gemeinden im Irak sich für erwartete Terrorakte gerüstet. In den Städten Bagdad, Mosul, Basra und Kirkuk setzten die Gemeinden nur kurze Gebetstreffen statt großer Weihachtsfeiern an. Inoffizieller Grund für diese Maßnahmen sei die zunehmende Bedrohung der Christen durch Al Qaida gewesen, berichtet "Spiegel Online". Die evangelische Nachrichtenagentur "idea" berichtet unter Berufung auf den assyrischen Informationsdienst Aina von Anschlägen auf Christen in Bagdad. Am 30. Dezember sollen vor sechs Häusern von Christen in verschiedenen Stadtteilen Sprengkörper explodiert sein. Dabei wurden laut "idea" mindestens zwei Personen getötet und 14 verletzt.

"Gewalt gegen Christen nimmt zu"

Die Gewalt gegen Christen nimmt zu, erklärt Menschenrechtsexperte Daniel Ottenberg vom Hilfswerk "Open Doors" gegenüber pro. Anschläge würden häufiger und forderten immer mehr Opfer. Die Gründe dafür sind so vielfältig, wie die politische Landschaft der Staaten, in denen die Terrorakte geschehen. Im Irak versuchten radikale Muslime, die Christen endgültig aus dem Land zu vertreiben, sagt Ottenberg. In Ägypten hingegen machten koptische Christen rund zehn Prozent der Bevölkerung aus. "Hier geht es nicht um Vertreibung, sondern um Marginalisierung", erklärt Ottenberg. Durch die Sharia-Gesetzgebung würden Christen systematisch diskriminiert. "Die Religionszugehörigkeit steht im Personalausweis. Sieht ein Arbeitgeber, dass es sich bei einer Person um einen Christen handelt, hat der es unter Umständen schwer, Arbeit zu bekommen." Nigeria wiederum sei zur Hälfte christlich und zur anderen Hälfte muslimisch. Im Land verlaufe "eine unsichtbare Grenze" zwischen Norden und Süden. An dieser Demarkationslinie komme es immer wieder zu Konflikten, so auch an Weihnachten.

Politiker und geistliche Würdenträger zeigten sich erschüttert von den Vorfällen. Papst Benedikt XVI. forderte in seiner Neujahrsansprache Frieden und Religionsfreiheit. Die Menschen sollten "den Schrei der vielen Kriegsopfer – Männer, Frauen, Kinder und Alten – anhören, die das schrecklichste Angesicht der Geschichte sind", sagte der Papst im Petersdom. Erzbischof Robert Zollitsch schrieb in einem offenen Brief an den Erzbischof im nigerianischen Jos, Ignatius Kaigama: "Die Botschaft von Weihnachten ist eine Friedensbotschaft. Wie weit ist Ihr Land an diesen Weihnachtstagen davon entfernt? Gestern haben wir am Stephanustag der verfolgten Christen gedacht. Ich darf Ihnen versichern, dass ich die Christen in Nigeria besonders in mein Gebet mit einschließe. Jedes Mal frage ich mich beim Anblick der Bilder, wie dieser blinde Fanatismus und diese ausufernde Gewaltbereitschaft möglich sein können."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, erklärte in einem aktuellen Beitrag der Zeitschrift "Chrismon plus Rheinland", Religionen würden mehr denn je bedrängt, unterdrückt und verfolgt. Auch viele Christen könnten ihren Glauben nur unter erschwerten Bedingungen leben oder müssten gar um ihr Leben fürchten. In Ländern wie Indonesien, Pakistan, Irak und Nordkorea sei die Situation für Christen sehr bedrohlich. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich entsetzt von den Anschlägen in Nigeria. Er verurteilte die Angriffe und verwies darauf, dass sie zu einem Zeitpunkt erfolgten, an dem sich Millionen Nigerianer auf die Feiertage vorbereitet hätten.

Merkel: "Abscheu und Entsetzen"

Angela Merkel schrieb in einem Brief an den ägyptischen Staatspräsidenten Muhammad Husni Mubarak: "Mit Abscheu und Entsetzen habe ich die Nachricht von dem schrecklichen Anschlag auf eine Kirche in Alexandria vernommen, dem viele unschuldige Menschen, insbesondere koptische Christen, zum Opfer gefallen sind. Die Bundesregierung verurteilt diesen barbarischen Terrorakt, bei dem Christen, aber auch Muslime ihr Leben verloren haben, auf das Schärfste." Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangte von seinem ägyptischen Kollegen Abul Gheit, alles zu tun, "um Christen und andere religiöse Gruppen gegen Übergriffe und Gewalt durch Extremisten zu schützen". Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Muslimische Autoritäten in Kairo und anderswo müssen eindeutig Stellung beziehen gegen jede Form von Gewalt im Namen ihrer Religion."

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, erklärte, für den Schutz der christlichen Minderheiten reiche der Dialog mit den Regierungen der muslimischen Länder nicht aus. "Wir müssen mit führenden Vertretern des Islams darüber reden, dass die Verfolgung von Christen beendet werden muss", sagte Kauder der "Welt". Man müsse der Wahrheit ins Auge sehen: "Christen werden vor allem in Ländern verfolgt, in denen Muslime die Mehrheit haben." Er forderte zudem mehr finanzielle Hilfen für unterdrückte Christen: "Ich bin dafür, mit den Christen im Irak eine Entwicklungszusammenarbeit aufzubauen. Das sollte durchaus finanzielle Hilfen einschließen – für den Bau von Schulen beispielsweise", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Unionsfraktions-Vize Johannes Singhammer (CSU) kritisierte die Vertreter der Muslime in Deutschland. "Ich erwarte, dass sie ihre Abscheu noch klarer formulieren, so wie das weltweit geschehen ist", sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Rundschau". Der Aufruf deutscher Muslime zu mehr religiöser Toleranz sei besonders wichtig, weil Muslime in Deutschland ihren Glauben frei ausüben könnten. In Ländern wie Ägypten oder dem Irak sei genau das für viele Gläubige nicht der Fall. Der Fraktions-Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, forderte im Bundestag ein stärkeres Vorgehen gegen die Diktatur in Ägypten. "Der Westen aber schaut aus außenpolitischer Rücksichtnahme auf das Regime Mubarak systematisch weg". Deutschland habe seine Möglichkeiten zur Einflussnahme "bei weitem nicht ausgeschöpft".

Auch hierzulande wächst die Sorge vor islamistischen Attacken auf Kopten. Schon an Heiligabend informierte das Bundeskriminalamt laut dpa die zuständigen Behörden über eine "allgemeinen Anschlagsdrohung" im Internet gegen die koptische Kirche unter anderem auch in Deutschland. Das österreichische Innenministerium sprach von einer "Todesliste" mit insgesamt 150 Namen von Kopten aus verschiedenen Ländern, die bereits vor dem Anschlag auf einer Internetseite der Terrororganisation "Islamischer Staat Irak" veröffentlicht worden sei. Die Organisation wird in Verbindung mit Al-Kaida gebracht. Besonders in der Weihnachtszeit habe es vermehrt Terrordrohungen gegeben, sagte der Bischof der Kopten in Deutschland, Anba Damian, der "Bild"-Zeitung. "Die Kriminalpolizei hat uns mehrfach vor Überfällen durch radikale Muslime auf unsere Christmette gewarnt. Ich habe daher an das Bundesinnenministerium geschrieben und um Schutz gebeten." In Deutschland leben bis zu 10.000 Mitglieder der koptisch- orthodoxen Kirche, die im Nahen Osten die größte christliche Gemeinschaft ist. Traditionell feiern sie Weihnachten vom 6. auf den 7. Januar. (pro)

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