Wer das biblische Gleichnis vom barmherzigen Samariter einmal zur Kenntnis genommen hat, weiß: Ausgerechnet derjenige, der von den „Vorzeige-Frommen“ kritisiert wurde, weil er „falsch“ glaubte, tat, was Jesus hernach lobte. Denn der Samariter kümmerte sich um einen Überfallenen, ohne Ansehen der Person. Jesus macht deutlich, dass er Barmherzigkeit richtig ndet. Jedem gegenüber. Und zwar nicht nur in konkreten Gefahrensituationen – das zeigen andere Bibelstellen –, sondern immer. Jesus fragt nicht, wer denn bitte zu den Nächsten gehöre, den man lieben „muss“, sondern er lässt seine Zuhörer überlegen, für wen der einzelne, für wen ich der Nächste bin.
Nicht nur an dieser Stelle macht Jesus deutlich, dass sein Ziel nicht Ausgrenzung ist, sondern Annahme. Warum verstehen das ausgerechnet viele von den Menschen, die sich selbst als Christen bezeichnen, so schlecht? Katholiken neigen der Pew-Studie zufolge sogar noch häu ger als Protestanten zu negativen Ansichten über Muslime. Jeder zweite ist demnach nicht bereit, Muslime als Familienmitglieder zu akzeptieren. Von den Protestanten äußerten dies etwa 16 Prozent.
Da mag man rasch einwenden: Ja, aber Jesus spricht ja im Gleichnis vom barmherzigen Samariter nicht von der eigenen Familie! Dieser persönliche Rückzugsort ist ja wohl etwas anderes, als einem Verletzten auf der Straße zu helfen. Der Samariter hat den Verletzten ja auch nicht mit in sein trautes Heim gebracht, sondern anderswo zur Betreuung abgeliefert. Jesus selbst hat sich seiner Herkunftsfamilie nie überdurchschnittlich verbunden gefühlt und ein trautes Heim hatte er schon gar nicht. Im Matthäusevangelium wird berichtet, dass Jesu Mutter und seine leiblichen Brüder einmal seine Aufmerksamkeit wünschen, während er vor Vielen redet. Jesus entgegnet mit großer Geste auf alle Zuhörer: „Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!“
Nach christlichem Verständnis ist jeder Mensch ein Geschöpf und Abbild Gottes, unabhängig von dem, was er glaubt. Daraus leiten sich seine Würde und die Unverletzlichkeit seines Lebens ab. Theoretisch mögen das viele richtig nden. Aber Jesus ist kein reiner Theoretiker. Wer sich nach dem richten möchte, was er sagt, akzeptiert damit Folgen fürs praktische Leben. Deswegen ist es unmöglich, wenn Christen pauschal ausschließen, Juden oder Muslime als potenzielle Familienmitglieder annehmen zu können.
Von: Stefanie Ramsperger