„Blasphemie verkommt zur lässigen Attitüde“

Aus der Sicht des Schriftstellers Martin Mosebach gerät das Ansehen des Christentums in der Kunst zunehmend unter die Räder. Wie er in der "Frankfurter Rundschau" schreibt, sei die Gotteslästerung zur einer "lässigen Attitüde oder kalkulierten Spielerei" verkommen. Sie sei mithin eine "billige und feige Veranstaltung" und vollständig risikolos, wenn sie sich nicht gegen den Propheten Mohammed richte.
Von PRO

"Für den weltanschaulich strikt neutralen Staat könnte sich die Notwendigkeit
einer Bekämpfung der Blasphemie ergeben", schreibt der 60-jährige Büchner-Preisträger in seinem Essay. Die Bekämpfung der Blasphemie sei dann notwendig, wenn sie die staatliche Ordnung gefährde, also dann, wenn eine größere Gruppe Gläubiger "sich durch die Blasphemie in ihren religiösen Überzeugungen so verletzt fühlt, dass ihre Empörung zu einem öffentlichen Problem wird".



Pflicht, Gott vor Schmähungen zu bewahren



Der Schriftsteller fragt, ob die Bundesrepublik Deutschland ein weltanschaulich neutraler Staat sei. Die Präambel des Grundgesetzes fuße auf dem Gott des Christentums. Artikel 1, der die Menschenwürde behandelt, sei ohne christliche Inspiration gar nicht vorstellbar: "Gerade die Unverlierbarkeit der Würde ist christliches Eigengut", schreibt Mosebach.


Der Staat müsse zudem ein Interesse daran haben, dass sein Grundgesetz nicht geistig ausgehöhlt werde und in Leerformeln austrockne. Damit das Gesetz von lebendiger Realität bleibe, liege die Pflicht des Staates darin begründet, "jenen Gott, auf dessen Geboten er seine sittliche Ordnung aufbauen will, vor Schmähung zu bewahren, die dieser sittlichen Ordnung auf Dauer den Respekt entziehen würde".



Auch die andere Wange hinhalten?



Heute gebe es in der Öffentlichkeit die mehrheitsfähige Meinung, Christen seien dazu verpflichtet, die Schmähung ihres Glaubens klaglos hinzunehmen. Atheisten forderten sogar dazu auf, nach dem Gebot Jesu "auch die andere Wange hinzuhalten". Selbst von Theologen sei häufig kein Protest zu erwarten. Fahrt aufgenommen habe die Debatte erst wieder durch die stärker werdende islamische Minorität, die keinen Spaß mit ihrer Religion verstehe.



Die Forderung von Künstlern nach unbedingter Freiheit sei in der Kunst förderlich gewesen. Mosebach verdeutlicht trotzdem: "Die Versuche, sich blasphemisch zu übertrumpfen – die geheime Hoffnung bleibt dabei stets spürbar, es könne doch noch, gegen alle Erfahrung, zu einem Skandal oder einem erfolgsfördernden Verbot kommen – laufen ins Leere, die Vulgarität bekommt einen besonders schalen Beigeschmack, weil sie sich in ihrem Rechthaben und ihrem Anspruch, geduldet zu werden, in der abstoßendsten Weise vor dem Publikum spreizt."



Schnörkel, Laune oder Ungezogenheit?



Aus Mosebachs Sicht werde das soziale Klima gefördert, "wenn Blasphemie wieder gefährlich wird". Vom Künstler verlangt er, dagegen anzukämpfen, sich den Erwartungen der Gesellschaft anzudienen und den gängigen Strömungen zu entsprechen. Es gehöre zudem zum Stolz und zur Ehre des Künstlers, dass er den Zusammenstoß mit der Rechtsordnung nicht bejammere und nicht sofort nach dem Kadi rufe: "Der Künstler, der in sich den Ruf fühlt, eine gesellschaftliche Konvention, den Glauben derjenigen, für die Gott anwesend ist oder auch ein Gesetz für seine Kunst verletzen zu müssen, der ist – davon bin ich überzeugt – dazu verpflichtet, diesem Ruf zu folgen. Die daraus entstehenden Unkosten wird er generös begleichen, auch wenn sie seine Existenz gefährden."



Die Risiken (s)eines Regelverstoßes würden den Künstler vor Leichtfertigkeit im Umgang mit seiner Freiheit bewahren. Mosebach hofft: "Er wird sich bei seiner Arbeit fragen: Ist diese blasphemische Passage, dies blasphemische Element wirklich notwendig, ist es ein unersetzbarer Teil meines Werks – oder nur Schnörkel, Laune oder Ungezogenheit? Muss ich dieses Wagnis eingehen, wenn ich mich weiter im Spiegel anschauen können will? Diese Fragen werden dem Werk zugute kommen. Und einem auf diese Weise zustande gekommenen Werk werden ernsthafte Gläubige einen vielleicht widerwilligen Respekt nicht versagen." (pro)

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