Blasphemie-Debatte: Man darf, aber muss nicht alles sagen

Ein Autor hat die Folgen seiner Gotteslästerung zu tragen. Diese These vertrat Schriftsteller Martin Mosebach in einem Essay der "Frankfurter Rundschau" (FR) und wollte Blasphemie unter Strafe stellen. Am heutigen Montag widerspricht ihm der Kulturwissenschaftler Claus Leggewie in einem FR-Beitrag.
Von PRO

Leggewie plädiert für eine modifizierte Position: Man dürfe, aber müsse nicht alles sagen, was unterhalb der Gewaltschwelle angesiedelt sei. "Man wählt seine Worte nicht nach Gesetzeslage, sondern alle Beteiligten fragen sich, was im Sinne guten Zusammenlebens geboten und verträglich ist." Damit würden Etiketten angeboten und somit freiwillige Selbstregulierungen des prinzipiell freien Meinungsaustausches vorgeschlagen. Die Meinungsfreiheit des Sprechers sei dabei genauso wichtig, wie die der Gesellschaft.



Kunst muss riskant sein (dürfen)



"Der Grund, warum wir diese Diskussion führen müssen, ist, dass Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, die von nationaler Gesetzgebung geschützt (oder eingeschränkt) wird, durch Migration und Telekommunikation heute per se in einem transnationalen Kontext stehen, den Mosebach übersieht." Einig sind sich Mosebach und Leggewie aber darin, dass Kunst riskant sein müsse: "Aber daraus zu folgern, die Einschränkung der künstlerischen Freiheit täte der Kunst per se gut, wäre frivol." Dann hätte Vaclav Havel seine Briefe als Dissident weder schreiben noch den Bürgeraufstand anzetteln dürfen.



Mosebachs Aussage, dass das Grundgesetz auf einem christlichen Gott fußt, widerspricht Leggewie, "selbst wenn Passagen des Grundgesetzes erkennbar in christlicher Tradition formuliert worden sind": Die Gottesformel in modernen Verfassungen beziehe sich definitiv nicht auf einen bestimmten Gott, "und wenn die Urheber des Grundgesetzes von Gott geredet haben, ist aus die invocatio Dei nachträglich keinerlei Schutz- und Förderpflicht für das Christentum zu konstruieren".



Nicht schützend vor Überzeugungen, sondern vor Personen stellen



Der Staat habe keine Möglichkeit, sich juristisch schützend vor Überzeugungen zu stellen, denn er könne und dürfe "nicht definieren, was daran (richtig) religiös ist". Dagegen könne er sich schützend vor Personen stellen, "denen einflussreiche Gruppen zur Bekämpfung einer Häresie oder Gotteslästerung den Mob auf den Hals hetzen". Jede Verschärfung des Blasphemie-Verbots würde aus Leggewies Sicht neues Öl ins Feuer gießen: "Hier in einer klammheimlichen oder offenen Wiederkehr der Blasphemie nach dem Strafrecht zu rufen, wie es Mosebach tue, wäre eine fatale Entwicklung, die zur inneren "Zensur oder zur offenen Unterdrückung der in Artikel 19 dargelegten Meinungsfreiheit führen kann". Hilfreicher sei eine zivilgesellschaftliche Debatte, wie sie gerade stattfinde, bilanziert der Politikwissenschaftler, der als Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen tätig ist. (pro)

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