„Ohne den selbst ernannten Apostel Paulus würde es das Christentum nicht geben. Er war theologisch und historisch der eigentliche Gründer“, heißt es in „Bild der Wissenschaft“. Paulus‘ Interpretation des Wirkens Jesu sei ganz entscheidend dafür gewesen, „dass sich das Christentum zu einer eigenen Religion mit einem eigenen Profil, einer eigenen Ethik und eigenen Ritualen hat ausbilden können“, meint Jens Schröter von der Universität Leipzig. Dennoch hätten weder Jesus noch Paulus beabsichtigt, eine neue Religion zu begründen. Paulus habe seine Mission vielmehr als „Reformation des jüdischen Glaubens“ betrachtet.
„Paulus versteht sich in erster, zweiter und dritter Linie als Apostel Jesu Christi. Er will die Botschaft von Jesus verkünden, alles andere spielt keine Rolle“, sagt Peter Pilhofer von der Universität Erlangen-Nürnberg. Nach Abstimmung mit den Jerusalemer Aposteln habe sich Paulus hauptsächlich mit der Bekehrung der Heiden beschäftigt. So sei er zum „Heidenapostel“, zum „Apostel der Völker“ – und zum wirkungsmächtigsten christlichen Missionar geworden.
Schröter weist weiter darauf hin, dass es zu Paulus‘ Zeit zahlreiche christliche Wanderprediger gegeben haben müsse, denn christliche Gemeinden wuchsen zur gleichen Zeit auch in Ägypten, Nordafrika und am Schwarzen Meer. Allerdings sei es der Forschung bisher noch nicht gelungen herauszufinden, wer den Glauben dorthin gebracht habe. „Unser Wissen über die frühen Entwicklungen des Christentums ist höchst lückenhaft.“
„Jesus ist kein nebulöser Mythos“
Weiter heißt es in „Bild der Wissenschaft“, Jesus habe keine neue Religion stiften wollen, sondern lediglich das Christentum reformieren wollen. „Das Christentum ist eine geschichtlich begründete Religion. Sie geht auf das Wirken und Schicksal einer einzigen Person zurück, die zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum gelebt hat“, so Schröter.
Deshalb müsse die christliche Theologie im Zeitalter historisch-kritischer Geschichtswissenschaft nach ihren Ursprüngen forschen. In der Tat sei Jesus kein nebulöser Mythos wie bei sonstigen Ursprüngen antiker Religionen, etwa Zeus. „Jesus ist der historisch fassbare Ursprung einer Bewegung, die in 2000 Jahren von 12 Jüngern im Hinterland des Römischen Reiches auf 2,1 Milliarde Anhänger in der ganzen Welt anwuchs.“
„Streitkulturen überleben die Zeiten besser“
In dem dritten Artikel erklärt der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer die Ursprünge des Christentums im Vergleich zum Buddhismus. „Die Überlebenskraft des Christentums rührt – abgesehen von den historischen Bedingungen – von seiner urtümlichen Streitkultur her. Als der Initiator Jesus Christus von dieser Welt gegangen war, fingen die Auseinandersetzungen um die richtige Lehre an.“ Diskussionen zögen sich von Paulus und Petrus bis hin zu den aktuellen Debatten über die Ökumene.
Der Buddhismus hingegen betone statt dieser Streitigkeiten das Zusammenwirken und bemühe sich um menschliches Mitgefühl. Aber sowohl im Buddhismus als auch im Christentum gehe es um polare Spannungen, denen die Religionen ihre eigenen hinzufügten, indem die Widersprüche im Westen heftig umstritten seien, während sie im Osten hingenommen würden. Dennoch lasse das Christentum erkennen: „Streitkulturen überleben die Zeiten besser“. (PRO)