Die Bundesregierung wehrt sich gegen Berichte, sie distanziere sich von der Armenien-Resolution des Bundestages – und doch tut sie es. Ein geschickter Zug. Ein Kommentar von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
2. September 2016
Foto: Michał Józefaciuk
Zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und der Bundesregierung könnte es eine Annäherung geben
Hat sich die Bundesregierung nun von der Armenien-Resolution des Bundestages distanziert oder nicht? Laut Spiegel Online hatte die Türkei dies in Gesprächen mit deutschen Diplomaten zur Bedingung gemacht, damit Bundestagsabgeordnete wieder die deutschen Truppen in Incirlik besuchen dürfen.
Am Freitag Mittag hat Regierungssprecher Steffen Seibert entsprechende Vorberichte zurückgewiesen: „Davon kann überhaupt keine Rede sein“, sagte er, stellte aber gleichzeitig klar, dass die Resolution „rechtlich nicht verbindlich“ sei. Spiegel Online, das als erstes eine Distanzierung ankündigte, blieb bei seiner Darstellung, schrieb von „politischer Irreführung für Anfänger“. Da ist was dran.
Denn was ist der wiederholte Hinweis, die Bundestagsresolution sei „rechtlich nicht verbindlich“, anderes als eine Distanzierung? Nur weil jemand versichert, etwas nicht zu tun, heißt dies noch nicht, dass er es wirklich bleiben lässt. Spiegel Online hatte im Vorfeld angekündigt: „Regierungssprecher Seibert wird demnach verkünden, dass die Resolution des Bundestags keinerlei bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe.“ Exakt so ist es eingetreten – mit dem Unterschied, dass die Regierung den Begriff Distanzierung ablehnt. Wortklauberei also.
Ankara hat seine Beruhigungspille
Genau genommen hätte es für die Bundesregierung nicht besser laufen können. Für Seibert war der Vorbericht von Spiegel Online eine Steilvorlage, die er dankbar annahm und als erfahrener Medienprofi sicher versenkte. So konnte der Regierungssprecher einerseits die neutrale Haltung der Bundesregierung zur Armenien-Resolution klarmachen und damit die türkische Regierung besänftigen – und im selben Atemzug Meldungen widersprechen, es handele sich um eine Distanzierung.
Ohne Seiberts Dementi wäre die Geste als Kniefall der Kanzlerin interpretiert worden. Ankara hat seine Beruhigungspille, die Regierungskoalition zwei Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zumindest ihr Gesicht gewahrt.
Eine andere Frage ist, ob die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze für das Signal an Ankara zu kritisieren ist. Denn natürlich steht auch die Bundesregierung unter hohem Druck. Sie muss zwischen mehreren Interessen abwägen: Dem Fortbestand des Flüchtlingsdeals, der legitimen Benennung des Völkermords an den Armeniern, den diplomatischen Beziehungen zur türkischen Regierung und der Lage von Menschenrechten und Demokratie in der Türkei.
Diese Haltung passt zum Türkei-Besuch von Martin Schulz (SPD) kurz zuvor. Der EU-Parlamentspräsident schlug dort deutlich versöhnlichere Töne an als in den vergangenen Wochen. Alleine seine beschwichtigende Körpersprache sprach Bände.
In diesem Sinne ist das Verhalten der Bundesregierung geschickt. Es wird sich zeigen, ob die Geste der Bundesregierung Ankaras verletzte Ehre wieder heilen kann, ohne die eigenen Werte zu kompromittieren – und die Haltung derer, die sie gewählt haben. (pro)
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