„Beim Konklave wird mit harten Bandagen gekämpft“

Der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger hält den Spielfilm „Konklave“ für eine gute Darstellung der Papst-Wahl. Die Auseinandersetzungen zwischen den Kardinälen seien wahrscheinlich in der Realität noch härter, sagt Nersinger im Interview mit PRO.
Von Jörn Schumacher
Konklave

PRO: Haben Sie den Film „Konklave“ von Edward Berger gesehen?

Ulrich Nersinger: Ja, ich habe ihn gesehen. Ich bin im Moment gesundheitlich angeschlagen und nicht sehr mobil, daher habe ich ihn sofort gesehen, nachdem er als Video herauskam.

Sie kennen sich gut aus im Vatikan. Wie fanden Sie den Film?

Ich hatte bereits den gleichnamigen Roman von 2016 gelesen. Man bemerkt natürlich Unterschiede zwischen Buch und Film, aber das ist ja ganz normal, und die sind auch nicht sehr gravierend. Mich hat der Film beeindruckt. Es wurde offenbar sehr gut zum Verlauf des Konklaves recherchiert. Man merkt, dass sich die Filmemacher mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt haben. Es gibt nur einige wenige Fehler, aber die bemerkt man kaum. Natürlich muss ein Filmteam gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen, weil man nicht im Vatikan drehen konnte. Domus Sanctae Marthae, das Gästehaus der Vatikanstadt, ist zum Beispiel anders ausgestattet als im Film, aber ähnlich. Im Großen und Ganzen ist die Darstellung des Konklaves aber beeindruckend dargestellt.

Welche Fehler sind Ihnen sonst noch aufgefallen?

Es liegt auf der Hand, dass man im Film viel mit Kostümen arbeiten möchte. Da kommen die Kardinäle alle in Messgewand und mit Mitra zusammen; das ist in der Realität nicht ganz so. Zudem erscheinen mir die einzelnen Fraktionen etwas überzeichnet zu sein. Im Film werden die Parteien sehr schwarz-weiß dargestellt. Aber beim echten Konklave gibt es auch die Grautöne, es gibt nicht nur „die Rechten“ und „die Linken“. Aber ein Film will selbstverständlich unterhalten und spannend sein. Außerdem besteht die Herausforderung darin, das ganze Konklave auf ein bis zwei Stunden zu raffen, das ist schwierig.

Wie nah kamen Sie selbst bereits dem Konklave?

Man kommt natürlich nicht rein, man kennt aber viele Personen, die dabei waren. Die Kardinäle, aber auch viel vom Personal sind durch Eide verpflichtet, nichts darüber zu sagen. In der Eidesformel, die dann auch morgen gesprochen wird, gibt es die schöne Formulierung „Auf ewige Zeit“ darf man nichts sagen. Aber das ist nicht immer und von allen so gut durchzuhalten. Es gibt auch viele Mitarbeiter, also beispielsweise die Köche, die Schwestern und das Sicherheitspersonal. Aber die größten Plaudertaschen sind meiner Meinung nach eigentlich die Kardinäle (lacht). Vieles über die technischen oder zeremoniellen Abläufe ist ohnehin nicht geheim.

Wie ist den Filmemachern dieser gute Einblick gelungen? Gab es Insider?

Sie werden zunächst einmal die offiziellen Informationen zur Papstwahl studiert haben; außerdem werden sie viel Weiteres recherchiert haben, Aussagen von ehemaligen Teilnehmern etwa. Auf jeden Fall scheint ihre Recherche gut gewesen zu sein.

„Die größten Plaudertaschen sind meiner Meinung nach eigentlich die Kardinäle.“

Die Darstellung zwischen den Liberalen und den Konservativen im Film fanden Sie unrealistisch?

Man kämpft in einem Konklave durchaus mit harten Bandagen. Im Film sagt ein Kardinal zum anderen: ‚Wir wollen doch keine Kämpfe‘. Und der andere sagt: ‚Konklave ist Krieg!‘ Da hat er – mit Einschränkungen natürlich – Recht. Es gibt harte Auseinandersetzungen. Und das ist in der Realität wahrscheinlich sogar noch härter als im Film darstellt.

Foto: Privat

Zur Person

Ulrich Nersinger studierte Philosophie und Theologie in Bonn, Sankt Augustin, Wien und Rom, anschließend am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie in Rom. An der Römischen Kurie erwarb Nersinger die Befähigung, in Selig- und Heiligsprechungsprozessen als Postulator, Vizepostulator und diözesaner Untersuchungsrichter tätig sein zu dürfen. Seit einigen Jahren ist er vorwiegend journalistisch und schriftstellerisch tätig, er schreibt für den „Osservatore Romano“, das deutschsprachige „Vatican Magazin“ sowie für kath.net und die Zeitschrift „Der Schweizergardist“. Bekannt sind viele seiner Sachbücher über den Vatikan und die Päpstlichen Zeremonien. Der 67-Jährige ist gefragt als Fachberater bei Fernseh- und Kinofilmen.

Wie sieht Ihre Prognose für das kommende Konklave aus? In welche Richtung könnte es gehen, eher ins Konservative oder eher ins Liberale?

Voraussagen sind bei einem Konklave immer sehr schwierig, aber dieses Mal ist es noch schwieriger. Wir hatten noch nie so viele Kardinäle in einem Konklave, und es gab noch nie so viele „von den Rändern der Welt“, wie der bisherige Papst es sich wünschte. Das sind häufig Kardinäle, die sich mit der Kurie, mit der Geschichte und den Traditionen des Kardinalats noch nicht so gut auskennen, und vielleicht sind sie dadurch etwas anfälliger für Manipulationen von irgendeiner Seite. Was die Frage nach dem einen Kandidaten angeht, kann ich nur sagen: Das ist die Eine-Million-Euro-Frage und sehr schwer zu beantworten. Ich könnte mir vorstellen, dass man jemanden sucht, der wirklich „Pontifex Maximus“ sein kann, also ein Brückenbauer – die wörtliche Übersetzung des lateinischen Ausdrucks. Denn wir haben verschiedene Fraktionen in unserer Kirche, und es wäre seine Aufgabe, diese miteinander zu vereinen.

Sind Ihnen sonst noch Filme bekannt, in denen das Konklave gut dargestellt wurde?

Es gibt ein deutsch-kanadisches Historiendrama namens „Das Konklave“, das die Geschichte des Konklaves von 1458 erzählt. Ein Kammerspiel, das sehr gut getroffen ist. Außerdem gibt es aus dem Jahr 1968 den Film „In den Schuhen des Fischers“ mit Anthony Quinn als Papst – nicht exakt ein Konklave-Film, aber eine interessante Darstellung des Papstes. Die Filmemacher durften damals im Vatikan drehen, und sie haben historisches Material einfließen lassen.

Wie werden Sie das kommende Konklave verfolgen?

Ich verfolge es bereits im Vorfeld. Ich werde versuchen, es zu analysieren – insofern das aus der Entfernung möglich ist – für den katholischen Fernsehsender EWTN, auch die Tagesschau hat mich angefragt, im Konklave-Podcast von Domradio bin ich zu hören, und ich schreibe Artikel über das Thema.

Vielen Dank für das Gespräch!

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