Bei Rachegefühlen: Wie Du mir, so ich Dir?

Zwei Männer in Berlin prügelten in Berlin einen dritten jungen Mann zu Tode. Darüber, ob solche Straftaten in Deutschland zu milde bestraft werden und wie Christen mit solchen Situationen umgehen können, diskutierte Moderator Jan Dieckmann mit seinen Gästen in der evangelischen Sendung Tacheles.
Von PRO

„Die Rache ist mein – brauchen wir härtere Strafen?“, fragte Dieckmann. Der Landesbischof der Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, Friedrich Weber, plädierte dafür, Rachegefühle nicht zu befeuern. Wichtiger sei, dass Straftäter ein Empfinden für die Opfer entwickelten. Die biblische Aussage „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wolle er nicht auf den Umgang mit den Straftätern übertragen.

Ohnmächtige Wut

Den Ruf vieler Politiker nach härteren Strafen bezeichnete Weber als populistisch. Er sprach sich gegen zu niedrige Strafen für die Täter aus, weil dadurch die Opfer verhöhnt würden. Ihn habe eine ohnmächtige Wut gepackt, als er ein fünfjähriges Mordopfer beerdigen musste. „Ein Extrakt des Glaubens ist es, Böses nicht mit Bösem zu vergelten.“ Hoffnungen für die Zukunft setze er in den Täter-Opfer-Ausgleich. Dies ist eine Möglichkeit zur Zusammenwirkung von Täter und Opfer, um einen Konflikt außergerichtlich beizulegen oder zumindest durch das Bemühen des Täters für diesen eine Strafmilderung im Prozess zu erlangen. „Dies muss ein Anfang von dem sein, was in der christlichen Tradition mit Versöhnung gemeint ist.“

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte härtere Strafen. Täter empfänden ihre Strafen oft als Freispruch und „grinsen den Opfern frech ins Gesicht, wenn sie das Urteil erfahren. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.“ Für schnelle und gute Strafen benötige man aber auch das notwendige Personal. Wenn auf der anderen Seite Mittel gekürzt würden, reiche es nicht aus, politische Gesetze zu erlassen. „Der Staat muss der Schutzpflicht seiner Bürger nachkommen.“

Härtere Strafen bringen nichts

Der Kriminologe Helmut Kury bemängelte dagegen, dass Richter oft zu falsch und zu hart bestraften. Viele Taten blieben unentdeckt. Den Menschen komme es dabei oft gar nicht auf die Härte der Strafe an, sondern auf die Gewissheit, dass bestraft werde. Forschungen über härtere Strafen zeigten, dass sie wirkungslos blieben: „Wir müssen hier intelligenter und kreativer werden“, forderte Kury.

Die Berliner Rechtsanwältin Bärbel Freudenberg-Pilster entgegnete, dass mehr Strenge ein gesellschaftliches Signal setzen könne: „Viele Strafen liegen am unteren Rand der Skala.“ Viele Fälle fänden wegen fehlenden Personals in Gerichten und Jugendämter nicht schnell genug Raum in der Justiz. Eine Entschädigung der Opfer mit Geld hielt sie nicht für sinnvoll: „Kein Geld der Welt kann ein Opfer ersetzen.“

Intensive Beschäftigung mit der Bibel hilft

Bezug nahmen die Diskussionspartner auch auf die Eltern des ermordeten Mirko. Sie hatten in ihrem Buch geäußert, dass sie keine Hass- und Rachegefühle gegenüber dem Mörder ihres Sohnes hätten (pro berichtete). Dies entspreche der alternativen Programmatik der Bergpredigt, erklärte Bischof Weber. „Die intensive Beschäftigung mit der Bibel hilft ihnen, mit der Situation umzugehen und mit ihr zu leben.“ Der Bruder des in den Tod getriebenen Guiseppe Marcone entgegnete, dass ihm die Bibelstelle „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ keine Befriedigung bei der Bewältigung seiner Trauer gebe.

Die Evangelischen Kirche im NDR hatte jüngst eine Studie bei dem Meinungsforschungsinstitut emnid in Auftrag gegeben. Demnach halten 57 Prozent der Deutschen die Justiz für zu milde, vier Prozent für oft zu hart. Jeder Dritte hält die Urteile in der Regel für angemessen. Der Fernsehsender Phoenix strahlt die Sendung am Sonntag, den 10. März, um 17.00 Uhr aus. Die Evangelischen Kirchen im NDR-Sendegebiet veranstalten Tacheles. Die Sendung wird gemeinsam getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und der Klosterkammer Hannover. (pro)

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