Begleitung bei Suizid: Gericht bestätigt Freispruch von Ärzten

Zwei Ärzte waren wegen ähnlicher Fälle angeklagt: Sie haben Menschen bei ihrem Suizid begleitet und nicht daran gehindert. In erster Instanz wurden sie freigesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun das Urteil. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund kritisiert das.
Von Jonathan Steinert
Tödliches Medikament

Dürfen Ärzte einen Menschen bei der Selbsttötung begleiten, statt ihn daran zu hindern, sich das Leben zu nehmen? Oder machen sie sich strafbar, weil sie die Pflicht haben, Leben zu retten?

In zwei verschiedenen, ähnlich gelagerten Fällen wurden Ärzte in den Jahren 2012 und 2013 freigesprochen: Die Landgerichte Hamburg und Berlin entschieden damals, dass die angeklagten Ärzte sich nicht strafbar gemacht hatten, als sie Selbsttötungen unterstützten und den bewusstlosen Frauen keine Hilfe leisteten, um ihr Leben zu retten. In dem einen Fall wollten sich zwei über 80-jährige Frauen das Leben nehmen. Sie litten an „nicht lebensbedrohlichen, aber ihre Lebensqualität und persönlichen Handlungsmöglichkeiten zunehmend einschränkenden Krankheiten“, heißt es in den Ausführungen des Bundesgerichtshofes, der am Mittwoch über die Revision entschied. Der angeklagte Neurologe erstellte ein Gutachten für einen Sterbehilfeverein und war anwesend, als die Frauen die tödlichen Medikamente einnahmen.

Ein Berliner Arzt war angeklagt, weil er einer 44-jährigen Frau, die eine schmerzhafte Krankheit hatte, Zugang zu tödlichen Medikamenten verschaffte und bei ihrem zweieinhalb Tage dauernden Sterben dabei war. Schon zuvor hatte sie mehrere Suizidversuche unternommen.

Berufliche Pflichtverletzung ist nicht strafrechtlich relevant

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen die Freisprüche Revisionen eingelegt. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Urteile jedoch. Als wesentlichen Grund dafür sah das Gericht, dass alle betroffenen Frauen eigenverantwortlich entschieden und gehandelt hätten. Das habe die jeweils erste Instanz „rechtsfehlerfrei (…) festgestellt“. Weiter bemerkte das Gericht: „Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet.“ Rettungsmaßnahmen gegen den Willen der Sterbenden seien nicht geboten gewesen. Denn diese hätten ihr Selbstbestimmungsrecht verwirklicht.

Die Ärzte könnten ihre beruflichen Pflichten in diesen Fällen verletzt haben. Das jedoch sah der Bundesgerichtshof nicht als strafrechtlich relevant an. Somit sind die Freisprüche jetzt rechtskräftig.

Ärztegewerkschaft: Wege zum Weiterleben aufzeigen

Kritik an dieser Entscheidung kommt von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Der Vorsitzende, Rudolf Henke, sagte, das Urteil löse keine Probleme, sondern schaffe neue. „Wenn wir Ärztinnen und Ärzte in unseren Grundsätzen von Sterbebegleitung sprechen, meinen wir Beistand und Fürsorge für Menschen, die den Tod vor Augen haben. Sterbebegleitung kann und darf aber keine Hilfe zur Selbsttötung sein“, zitiert ihn die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Im Urteil des Bundesgerichtshofes komme eine „schleichende Legalisierung des ärztlich begleiteten Suizids“ zum Ausdruck. Das sende „sehr problematische Signale“ in die Gesellschaft, sagte er laut dpa.

„Wer alt und krank ist, darf nicht auf den Gedanken kommen, er würde anderen zur Last fallen, um dann den vermeintlichen Ausweg Suizid zu wählen.“ Henke stellte klar, dass oft seelische Not hinter einem Sterbewunsch stehe. Ärzte müssten Menschen Wege zum Weiterleben aufzeigen.

Von: Jonathan Steinert

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