Bedrohen US-Gesetzentwürfe die Internet-Freiheit?

In den USA werden derzeit Gesetzentwürfe diskutiert, die der unbegrenzten Freiheit im Internet ein Ende machen könnten. Weltweit regt sich Widerstand. Große Internetkonzerne wie "Google", "Amazon", "Facebook" und "eBay" erwägen, aus Protest eigene Dienste zeitweise abzuschalten.
Von PRO

Eigentlich geht es um eine gute Sache, nämlich um den Schutz des Urheberrechts im weltweiten Netz. Was derzeit jedoch in den USA – auch aufgrund massiver Einwirkungen der Filmindustrie – Gesetz werden soll, könnte weit über das Ziel hinausschießen und die freie Struktur des Internets zerstören, befürchten Kritiker laut verschiedenen Medienberichten.

"Gefährdung für das gesamte Internet"

Mittels des Gesetzes "Protect IP Act" könnten US-Rechteinhaber künftig vor US-Gerichten und mit Hilfe von US-Strafverfolgungsbehörden gegen Anbieter von Internetseiten im Ausland vorgehen, falls diese etwa Links zu raubkopierten Filmen zeigen, berichtet die Tageszeitung "Die Welt". Da die Server meist außer Reichweite der US-Behörden seien, sollten künftig auch all diejenigen strafrechtlich verfolgt werden, die – etwa über Werbebanner oder Links – Geschäfte mit den Beschuldigten machen. Analog dazu würde der "Stop Online Piracy Act" (Sopa) den Rechteinhabern aus Hollywood die Möglichkeit einräumen, gegen Provider in den USA strafrechtlich vorzugehen.

Sopa sei der bisher wohl schärfste geplante Eingriff ins Netz, heißt es auf dem Online-Portal "WinFuture". Dieser Entwurf stelle eine Gefährdung für das gesamte Internet in seiner heutigen Form dar. "Denn Provider, aber auch Dienstleister wie Kreditkartenfirmen würden damit verpflichtet, ihre Leistungen für jedes Angebot einzustellen, über das Urheberrechtsverletzungen direkt oder indirekt begangen werden." Im schlimmsten Fall brächte dies das Aus für automatisch indizierende Suchmaschinen wie "Google" und Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten wie "Facebook", weitere Social Networks oder Internet-Foren.

"Nie dagewesene Zensur"

Kein Wunder, dass sich Widerstand regt. So warnte Internet-Gründungsvater Vint Cerf, laut "Welt", vor einem weltweiten "Wettrüsten um eine nie dagewesene Zensur" im Netz. "Tatsächlich hat die Motion Pictures of America ein Memorandum vorbereitet, das besagt, dass Sopa wahrscheinlich funktionieren wird, weil es dieselben Maßnahmen verwendet, wie sie in Syrien, China und Usbekistan zum Einsatz kommen", zitiert die Zeitung den Netzexperten. Ähnliche Bedenken haben auch Unternehmen wie "Google", "eBay", "YouTube" und "Twitter" vorgetragen. Laut "taz.de" ließ sich "Google"-Mitbegründer Sergey Brin mit den Worten zitieren, das Gesetzespaket stelle die USA auf eine Stufe mit den Unterdrückerstaaten.

Welche Auswirkungen könnte Sopa auf christliche Internetangebote in Deutschland haben? Michael Gerster, Redaktionsleiter von "ERF Online", sieht die Entwicklung gelassen: "Ich glaube nicht, dass dieses Gesetz – so es denn überhaupt verabschiedet werden sollte – unsere Arbeit beeinträchtigen würde", sagte er gegenüber pro. Bei "ERF Online", einem Arbeitsbereich von "ERF Medien", arbeiten über 100 festangestellte und ehrenamtliche Mitarbeiter daran, missionarische Internet-Projekte aufzubauen und Websites für Christen weiterzuentwickeln. Zunächst ginge es, so Gerster, ja um den Schutz geistigen Eigentums. Allerdings würde er die kritischen Stimmen von Bürgerrechtlern und Netzaktivisten ernst nehmen. Alle verfolgungsrechtlichen Gesetze, selbst wenn sie aus einem guten Grund geschaffen würden, könnten missbraucht werden. "Meine Meinung ist: Immer dort, wo freiheitlich-demokratische Grundrechte in Gefahr sind, muss man seine Stimme erheben. Gerade auch als Christ, denn Freiheit ist auch ein zutiefst christlicher Wert." Die Frage, wie freiheitlich eine Gesellschaft sei, würde aber nicht im Internet entschieden. Das sei eine gesamtgesellschaftliche Frage. "Das Internet ist meiner Meinung nach eher ein Spiegel der Gesellschaft und zeigt, wie demokratisch – oder eben auch nicht – eine Gesellschaft tickt."

Mehr als 700.000 Protest-Mails

Laut verschiedenen Medienberichten drohen die großen Internetfirmen bereits mit der zeitweisen Abschaltung ihrer Angebote. Den Besuchern sollen stattdessen Zensur-Warnungen präsentiert werden – verbunden mit der Aufforderung, die zuständigen Politiker zu kontaktieren und den Druck zu erhöhen, um die aktuell diskutierten Gesetzesentwürfe zu Fall zu bringen, schreibt "WinFuture". Mehr als siebenhunderttausend Protest-Mails hätten die US-Abgeordneten bereits erreicht, weiß die "Welt". Am 24. Januar sollen die US-Senatoren über den Protect IP Act abstimmen. Gleichzeitig will der Justizausschuss des Repräsentantenhauses über Sopa diskutieren. (pro)

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