Baptisten dürfen eigene Schule betreiben

Der Begriff "Home-Schooling" geistert immer wieder durch die amerikanische, vor allem aber deutsche Medienlandschaft. Seit drei Jahren lehnen auch Mitglieder einer Stuttgarter Baptistengemeinde die Schulpflicht ihrer Kinder ab. Zu Hause dürfen sie ihre Sprösslinge nach wie vor nicht unterrichten. Dafür wurde ihnen nun allerdings erlaubt, eine eigene Schule zu betreiben.
Von PRO

Am Dienstag, 14. Oktober, ging vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ein Streit zu Ende, den gläubige Eltern und das Regierungspräsidium Stuttgart austrugen. Seit 2005 betreibt eine Baptistengemeinde im Hohenlohekreis eine illegale Privatschule. Den Unterricht in staatlichen Bildungseinrichtungen lehnen die Eltern ab. Anstoß nehmen sie vor allem am Religions- und Sexualkundeunterricht. Wie SWR.de berichtete, lenkte das Gericht nun überraschend ein. Ab dem 31. Oktober soll die Grund- und Hauptschule staatlich anerkannt werden.

Streit dauerte über drei Jahre

Schon 2005 hatten die Christen ihre Kinder aus der staatlichen Schule genommen. 24 Jungen und Mädchen der Klassenstufen eins bis acht werden derzeit in Öhringen bei Stuttgart in einer christlichen Privatschule unterrichtet. Schon 2006 hatten die Baptisten versucht, ihre Einrichtung vom Staat genehmigen zu lassen, waren aber gescheitert, weil die Schule nicht gleichwertig mit öffentlichen Bildungseinrichtungen und das Lehrpersonal nicht geeignet sei, wie es in der Erklärung des Regierungspräsidiums Stuttgart hieß. Den Lehrern fehle die notwendige fachliche und pädagogische Ausbildung, die Erziehung erfolge allein auf Grundlage der Bibel, statt der Evolutionstheorie lernten die Kinder die biblische Schöpfungsgeschichte und Sexualkundeunterricht werde nicht abgehalten.

Im vergangenen Jahr machten die Mitglieder des „Vereins der Evangeliums-Baptisten“ mit dem Vorhaben Schlagzeilen, ihre Kinder ganz von der Schulpflicht zu befreien und zu Hause zu unterrichten. Eine entsprechende Klage vor dem Verwaltungsgericht scheiterte, weil, wie der Richter betonte, die Schulpflicht das Erziehungsrecht schlage. Nun einigten sich Verwaltungsgericht und Baptisten auf einen Kompromiss: Die Schule soll anerkannt werden, dafür sind die Betreiber an Auflagen gebunden. Ab der fünften Klasse muss die Evolutionstheorie „mit der nötigen Seriosität und dem nötigen Umfang“ dargestellt werden, so der Richter. Das pädagogische Konzept muss an die staatlichen Schulen angepasst werden. Außerdem verpflichtet sich die Schulleitung, neue Lehrer einzustellen, deren Qualifikation nachgewiesen werden muss. Ein naturwissenschaftliches Labor und eine Sporthalle sollen zudem eingerichtet werden.

„Home-Schooling“ immer wieder Thema

Immer wieder machen christliche Eltern Schlagzeilen, weil sie ihre Kinder von öffentlichen Bildungseinrichtungen nehmen und zu Hause unterrichten oder Privatschule gründen wollen. Ähnlich wie der Fall der Baden-Württemberger klingt die Geschichte von sieben Paderborner Familien. Auch sie zählen sich zu einer baptistischen Glaubensgemeinschaft und haben ihre Kinder bereits vor drei Jahren aus der staatlichen Schule genommen. Die Gründung einer Privatschule wurde ihnen bisher verwehrt, das sogenannte „Home-Schooling“, also der Unterricht zu Hause, ebenfalls. Dennoch bleiben die Kinder der Schule fern. Neben Ermahnungen und Bußgeldzahlungen verordnete das zuständige Gericht im Jahr 2007 bei einer Familie den Entzug des Sorgerechts für alle Angelegenheiten, die die Schule betreffen. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof scheiterte. „Eltern sind auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder –methoden der Schule ihren Glaubensüberzeugungen entgegenstehen. Dies gilt jedenfalls so lange, als der Staat seinem Erziehungsauftrag im Sinne des Grundgesetzes verantwortungsvoll nachkommt“, begründete das oberste deutsche Verfassungsorgan.

Auch in Hessen, Bayern, Hamburg oder der Stadt Bonn wurden Fälle von Heimunterricht und illegal betriebenen christlichen Privatschulen bekannt. Wie „Spiegel Online“ berichtete musste etwa ein hessisches Ehepaar mit sieben Kindern bereits für drei Monate ins Gefängnis, weil sie die Schulpflicht ignorierten. In Bayern wurden Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft namens „Zwölf Stämme“ zu Beugehaft und insgesamt 130.000 Euro Bußgeldern verurteilt. Mittlerweile dürfen sie eine staatlich kontrollierte „Ergänzungsschule“ betreiben, die keinen Sexualkundeunterricht erteilt, und in der die Eltern die Lehrer selbst aussuchen. Als staatliche Auflage müssen Letztere ihre Qualifikation nachweisen.

Bund der Freikirchen distanziert sich von Baptistengemeinde

Im Falle der Stuttgarter Baptisten äußerte sich 2007 auch der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland und distanzierte sich von der Auffassung, Kinder dürften nicht an öffentlichen Schulen unterrichtet werden. In der Begründung heißt es: „Die Kläger-Familie gehört zu einer Gemeinde der Evangeliumschristen-Baptisten, die nicht Mitglied im Bund evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland ist […]. Die Gemeinden und Mitglieder des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden sehen sich als integralen Bestandteil der bundesdeutschen Gesellschaft, die sie bewusst mitgestalten wollen. Dabei wird die Inanspruchnahme der rechtlich garantierten Möglichkeit zum Besuch konfessioneller Schulen nicht ausgeschlossen.“ Die Bezeichnung „Baptisten“ sei differenziert zu gebrauchen, benenne sie doch zum einen Mitglieder des Freikirchen-Bundes, zum anderen aber auch „unabhängige Gemeinden, die aus baptistischer Tradition und vornehmlich aus der ehemaligen Sowjetunion kommen“, wie im Falle der Stuttgarter. (PRO)

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