Babyklappen: Anonymität gegen Angst

Anfang des Jahres ist in Deutschland ein neuer Streit um Babyklappen und anonyme Geburten entbrannt. Meinungsforscher wollen nun herausgefunden haben: Für viele Frauen war gerade die umstrittene Geheimhaltung ihrer Identität eine Chance, ihr Kind am Ende doch zu behalten.

Von PRO

Bereits im Jahr 2009 empfahl der Deutsche Ethikrat, die Angebote von Babyklappen und anonymen Geburten in Deutschland aufzugeben. Rund 90 Babyklappen existieren derzeit in der Bundesrepublik – und der Streit um ihr Bestehen ist brandaktuell. Gründe für eine Abschaffung sehen viele in der Verletzung des Kindesrechts auf ein Wissen um seine Herkunft. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) schlug Anfang des Jahres vor, die Daten der Mutter auf Wunsch zehn Jahre geheimzuhalten. Ein Verbot von Babyklappen schloss sie aus. Unionsfraktionsvize Ingrid Fischbach (CDU) sagte der "Welt am Sonntag": "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass in Deutschland keine neuen Babyklappen eröffnet werden dürfen, dass die bestehenden Projekte allmählich auslaufen sollten und möglichst rasch klare Vorschriften erhalten müssen."

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) dokumentiert die Geschäftsführerin des "Instituts für Demoskopie Allensbach", Renate Köcher, eine Befragung ihres Meinungsforschungsunternehmens unter 105 Müttern, die ihre Babys seit 1999 in einer Klinik anonym geboren oder in einer Babyklappe abgelegt haben. Insgesamt sollen in den vergangenen 13 Jahren rund 1.000 Kinder davon betroffen gewesen sein.

Furcht vor Verlust des Arbeitsplatzes

Die Erhebung zeigt, dass die Gründe der Frauen für diesen Schritt höchst unterschiedlich sind. Die einen fühlen sich überfordert, andere haben Angst vor der Reaktion ihrer Eltern und Freunde auf die Schwangerschaft, und wieder andere haben Alkohol- oder Drogenprobleme. Jede zweite Frau befand sich während der Schwangerschaft in einer festen Partnerschaft. 50 Prozent von ihnen nannten die Beziehung aber labil oder waren unglücklich mit ihr. In sieben von zehn Fällen war der Partner auch der Vater des Kindes. Drei Viertel der Frauen berichteten von Ängsten vor der Reaktion ihres Lebensgefährten oder der Familie auf die Schwangerschaft. Knapp jede zweite Frau, die in einer Beziehung lebte, war davon überzeugt, dass ihr Partner kein Kind wollte.

57 Prozent der Befragten hatten bereits ein oder mehrere Kinder. In 60 Prozent der Fälle war die finanzielle Lage der Frauen angespannt. Vier von zehn waren berufstätig und ebensoviele in einer Ausbildung. Von ihnen fürchtete jede Dritte um ihren Arbeitsplatz. 15 Prozent waren arbeitslos. Der Erhebung zufolge hat jede dritte Frau im Verlauf der Schwangerschaft eine Abtreibung erwogen. Im Nachhinein sahen es 90 Prozent der Frauen als Vorteil an, dass sie durch die Anonymität im Krankenhaus Zeit hatten, sich für oder gegen das Kind zu entscheiden. Ein hoher Anteil der Frauen zog das Kind laut Köcher letztendlich tatsächlich selbst groß. (pro)

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