Eine Stellung "wie die Zehn Gebote Gottes" habe der zweite Unternehmensgrundsatz, der die Springer-Redakteure seit 1967 auf die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen und auf die "Lebensrechte des israelischen Volkes" verpflichtet. Dies erfährt der Besucher in einem Video gleich zu Beginn der Ausstellung von Franz Josef Wagner, dem "Chefkolumnisten" beim Springer-Verlag.
Religiöse Begründung in der Kritik
Es ist zugleich ein Hinweis darauf, warum die Hinterlassenschaft des am 2. Mai 1912 in Altona nahe Hamburg geborenen Verlegers in Deutschland so zwiespältig gesehen wird. Das Anfangsvideo gibt diese Ambivalenz gut wieder: Neben Befürwortern kommen auch Kritiker Springers zu Wort. Letztere stoßen sich nicht so sehr an dem genannten Grundsatz. Bitter stößt bei ihnen auf, dass dieser als nicht hinterfragbar gilt; vor allem aber, dass er religiös begründet ist.
Denn evangelischer Christ war Springer, und die Religion prägte seine Haltung zu Israel und dem jüdischen Volk. Aussagekräftig ist etwa, was Springer 1983 nach seiner Entgegennahme der Auszeichnung "Bewahrer Jerusalems" in der "Bild am Sonntag" veröffentlichen ließ: "Für mich ist das Überleben des jüdischen Volkes und der Wiederaufbau des Staates Israel der Beweis, dass Gottes Versprechen in der Bibel sich erfüllen werden."
Wichtiger Aspekt deutscher Nachkriegsgeschichte
Von der Genese dieser Haltung kann sich der Besucher ein Bild machen: Zu sehen sind in Frankfurt ausgewählte Titelblätter der Springer-Zeitungen im Großformat, allen voran "Bild" und "Welt", die die pro-israelische Haltung dokumentieren. Dazu gibt es Textdokumente, etwa ein Brief an den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, in dem Springer von seinem Besuch in Israel 1967 berichtet, dazu zahlreiche Photos, die Springer in Israel zeigen.
Interessant sind dabei auch gegen Ende der Ausstellung die Original-Dokumente, mit denen einst versucht wurde, Springer zu verunglimpfen. Es geht um die Proteste der 68er-Bewegung, zu sehen ist aber auch ein Film, der in der DDR produziert wurde und Springer als verkappten Nazi in ein schlechtes Licht stellt. Mit dieser beeindruckenden Auswahl gibt die Ausstellung einen wichtigen Teil der jüngeren deutschen Geschichte wieder.
Ausstellung mit Defizit
Ein Defizit hat die Ausstellung jedoch: Sie zeigt zwar die ambivalente Wirkung, die Springer in Deutschland hatte, und deutet auch an, dass dies im Kern mit seiner religiösen oder unkritischen Haltung bezüglich Israel zu tun hat. Ist dies jedoch der springende Punkt, dann hätte die Ausstellung diesen Aspekt genauer herausstellen sollen: Woran macht Springer seine Haltung genau fest? Welcher christlichen Strömung ist er damit zuzuordnen?
Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Die Ausstellung möchte das Phänomen Axel Springer vor allem zeigen, weniger erklären. Sie vermittelt jedoch einen guten Eindruck zu Leben, Werk und Erbe des Verlegers. Trotz kleinerer technischer Mängel – ein zweites Video am Ende der Ausstellung funktionierte nicht – lohnt sich daher der Besuch im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main. (pro)
Die Ausstellung "Bild dir dein Volk. Axel Springer und die Juden" ist seit dem 15. März bis zum 29. Juli 2012 im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main zu sehen. Der normale Eintritt kostet 4 Euro.