Augenzeugen berichten über Ostern

16 Autoren haben mit fiktionalen Augenzeugenberichten die Ostergeschichte aus verschiedenen Perspektiven wiedergegeben. Auch wenn man ihren Ausgang kennt und sie jedes Jahr hört: Die neuen Blickwinkel darauf, moderner Stil und Umgangssprache machen Ostern neu lebendig und aktuell. Eine Rezension von Christina Schießl
Von PRO
An Ostern geht das Leben weiter

Viele Menschen waren bei den letzten Stunden vor Jesu Kreuzigung, Tod und Auferstehung vor knapp 2.000 Jahren mit dabei. Das neu erschienene Buch „Hoffnungsmorgen“, herausgegeben von Fabian Vogt, gibt 16 dieser Augenzeugen eine Stimme. In chronologischer Reihenfolge beleuchten die fiktionalen Berichte das Ostergeschehen. Sei es als innerer Monolog, Tagebucheintrag, Brief oder Dialog – mit verschiedenen Formen versuchen die Autoren ein volleres Bild zu zeichnen. Jeder einzelne Charakter kommt mit individuellem Sprachstil und Form zu Wort.

Die Namen der Charaktere sind ihrer ursprünglichen Sprache angepasst. So wird „Jesus“ zu „Jeshua“ und Jerusalem zu „Jeruschalajim“. Diese etwas ungewohnten, hebräischen Namen prägen die Atmosphäre des Buches und heben den nahöstlichen Schauplatz der Berichte hervor.

Lebendig und authentisch

Jeshua selbst ist Protagonist im ersten Kapitel des Buches. Die Kreuzigung des Sohnes Gottes steht bald bevor, als die Jünger beim letzten Abendmahl „hocken“ und miteinander „palavern“. In diesem Kontext erscheinen Ausdrücke wie „halt doch mal für einen Moment die Klappe, Mann“ oder „Alter, jetzt wird’s feierlich“ auf den ersten Blick ziemlich salopp. Doch macht in den Berichten gerade auch die Sprache die Ostergeschichte menschlich authentisch und lebendig.

Die Augenzeugen machen das Ostergeschehen zu einem Teil ihrer Lebensgeschichte und nehmen den Leser mit hinein. Besonders aus der Perspektive des Simon von Kyrene, dessen Kapitel fast vollständig einem Monolog gleicht, fühlt sich der Leser noch direkter angesprochen: „Ihr glaubt mir nicht? Meint ihr, das Erlebte hätte mir die Sinne verwirrt?“

Ein Mörder, der an der Seite Jeshuas ebenfalls an einem Kreuz auf Golgatha hing, beschreibt Rückblenden aus seiner Vergangenheit. Die Berichte zeigen: Personen und Ereignisse sind komplex. Kurze Sätze, Adjektive und Adverbien spiegeln die emotionale Ebene der Personen wider. „Hör mir zu, Mutter, lies langsam und – bitte! – glaub mir.“, schreibt Procula, Pilatus‘ Frau, in einem Brief. Wie viele der Beteiligten, betont auch sie, dass alles wahr sei – keine „Hirngespinste“ – und verweist auf weitere Augenzeugen, auch über das Buch hinaus.

Fragen muss man sich stellen

In einem Mosaik aus Erfahrungen geben die Charaktere Einblick in ihre Gedanken, Emotionen und persönliche Lebensgeschichte. Sie drücken ihren Zweifel, Unsicherheiten und Aufregung aus. Der Leser kann so auf die Motive ihres Handelns schließen. So betonen die Autoren des Buches die vielfältigen menschlichen Perspektiven auf die Ostergeschichte. Manche Protagonisten eines Kapitels treten an anderer Stelle des Buches wieder auf. Zum Teil mit ähnlicher Sicht der Dinge, zum Teil ändern sich im Zeitverlauf Sicht und Einstellung gegenüber Jesus und den Geschehnissen.

„Und während mir der Wind in die Augen fuhr, sah ich vor meinem inneren Auge diesen Blick voller Liebe, der sich mir tief eingebrannt hatte, und ich dachte: Ja, es stimmt, dieser Mann war wirklich Gottes Sohn.“ Hauptmann bei der Kreuzigung Jeshuas, aus: „Hoffnungsmorgen“

Vor der Kreuzigung beschuldigt etwa der Hohepriester Kajafas Jeshua als „Gotteslästerer“. In einem späteren Kapitel schlägt er einem Gefangenen einen Deal vor: „Sag einfach, sie haben die Leiche gestohlen, und du bist ein freier Mann.“ Als sein Gegenüber nachhakt „Du glaubst selbst daran, dass Jeshua von den Toten auferstanden ist“, antwortet der Priester mit Schweigen und geht. Ist Jeshua wirklich der von Gott verheißene Messias und Gottes Sohn? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wurde der Leichnam Jeshuas gestohlen oder ist er wirklich auferstanden? Zentrale Fragen der Ostergeschichte, die im Buch immer wieder auftauchen und denen sich der Leser selbst stellen muss.

Viele Geschichten – ein Ganzes

Mit der Person Jeshua steht im ersten Kapitel die göttliche Perspektive der menschlichen direkt gegenüber. Durch geschickte Erzähltechnik erhält der Leser Jeshuas allwissende Sicht. Der Sohn Gottes ist sich der bevorstehenden Ereignisse sehr wohl bewusst, im Gegensatz zu seinen Freunden. Er weiß, welche Schmerzen ihm bevorstehen und dass Judas „in aller Heimlichkeit den großen Showdown organisiert hat“. Er kennt die Probleme und Motivationen seiner Jünger – sei es irreführende Leidenschaft oder ungeduldiges Eifern. Das Buch legt dem Leser nahe: Gott sieht die Verflechtungen von Einzelschicksalen, die im Ganzen Geschichte schreiben. Er kennt Motivation und Lebensgeschichte jedes Einzelnen.

Die Passions- und Ostergeschichte sind Teil der gesamten Bibelgeschichte. Das wird auch in dem Buch deutlich: Die Autoren zitieren unter anderen den Propheten Jesaja aus dem Alten Testament und beziehen sich auf Paulus aus dem Neuen Testament. Grundlage des Buches, Personen und Eckdaten basieren auf Bibelaufzeichnungen, um die herum die Autoren die persönclihen Berichte der AUgenzeuge ausschmücken. Der Leser sieht, dass die Evangelien viel des Geschehens festgehalten haben, jedoch nicht alles im Detail. Was hat die Bibel wirklich gesagt? Was wurde hinzugefügt? Fragen, die der Leser im Hinterkopf behalten sollte.

Wie die Augenzeugen, so haben auch die Autoren des Buches verschiedenste Hintergründe, kontrastreich in Beruf und Lebensgeschichte. Schriftstellerin Christina Brudereck, Theologe Albert Gralle, Reporterin Iris Völlnagel und Musiker Christoph Zehendner und andere – alle 16 Autoren sind Mitglieder der Christlichen Künstlergemeinschaft „das Rad“. Bei einer Tagung kam die Idee auf, die Ostergeschichte aus dem Blickwinkel verschiedener Beteiligter neu aufzusetzen.

Ostermorgen, Hoffnungsmorgen

Das Buch hält, was es verspricht: Mit neuen und überraschenden Perspektiven wird der Leser in das „größte Wunder der Weltgeschichte“ hineingenommen. Die Ostergeschichte wird persönlich, anschaulich und bewegend. Distanz tritt in den Hintergrund und der Leser wird Teil des Geschehens. Für Kajafas war Jeshua „ein einziger Alptraum“. Wer in ihm jedoch den „Messias“ und „Sohn Gottes“ sah, der hatte Hoffnung.

„Sein Sterben und Auferstehen haben ja unser aller Sterben erlöst,“ schreibt Pilatus‘ Frau in ihrem Brief. Seine Gleichnisse und Reden wurden zur „Hoffnungsgeschichten“ für die Augenzeugen, die sich entschieden „umzukehren“. Die Berichte zeigen, dass der einzelne Mensch eine zentrale Rolle in der Bibel einnimmt: Gott wünscht sich eine persönliche Beziehung. Mit dem leeren Grab wird selbst 2.000 Jahre später der Ostermorgen zum Hoffnungsmorgen. (pro)

Fabian Vogt (Hg.): „Hoffnungsmorgen“, Brendow-Verlag, 128 Seiten, 12 Euro, 9783865069351 Foto: Brendow-Verlag
Fabian Vogt (Hg.): „Hoffnungsmorgen“, Brendow-Verlag, 128 Seiten, 12 Euro, 9783865069351

Von: csc

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