Aufrüstung zum Dialog: „Glaube“ bei Homosexuellen-Parade

Gerade ist die Diskussion um das Christival 2008 und den Protest des Grünen-Politikers Volker Beck ein wenig abgeklungen, da verkünden die Organisatoren des diesjährigen "Christopher Street Day" in Stuttgart, dass ihre Parade den Glauben als Leitthema behandeln werde. Zufall?
Von PRO

Auf dem Christival 2008 werden Jugendliche zwischen 14 und 26 Jahre eingeladen, ihren Glauben zu festigen. Neben 18 Gottesdiensten wird es rund 250 Seminare geben, die den Jugendlichen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen helfen sollen. Da geht es auch um die Bibel, aber etwa auch um Magersucht, Berufschancen, Zivildienst, Arbeitslosigkeit, Ehe, Seelsorge, Süchte, sogar um die ehemalige DDR. Themen also, die Teenager interessieren. Dazu gehört auch Sex. Wenn ein Jugendlicher Christ und gleichzeitig homosexuell ist, könnte auch dies ein interessantes Thema für ein Seminar sein, dachten sich die Veranstalter.

Und sie rechneten damit, dass sich kompetente Experten aus dem christlichen Bereich Zeit nehmen würden, Jugendlichen, die Fragen und Probleme in diesem Bereich haben, zu helfen. Mit wem sie nicht rechneten, war der Parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck. Der bekennende und bekannte Homosexuelle lässt es nicht zu, dass über dieses Thema anders geredet wird als von ihm zugelassen. Als Beck entdeckte, dass auf dem Christival ein Seminar mit dem Titel „Homosexualität verstehen – Chance zur Veränderung“ vom „Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“ angeboten werden sollte, erklärte er nicht nur dieses eine Seminar für „antihomosexuell“. In seiner Kleinen Anfrage an den Deutschen Bundestag lässt er durchblicken, dass für ihn der gesamte fünftägige Kongress, alle 280 Kurse, Seminare, Workshops und Gottesdienste antihomosexuell seien.

„Ich glaube…, dass ich anders bin“

Es scheint, als sei das Thema Glaube und Kirche für die Homosexuellen nach Becks erfolgreicher Schlacht interessant geworden. Der Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart, die jährliche Demonstration von Schwulen und Lesben, die im Sommer wie in vielen anderen Städten Deutschlands stattfinden soll, wird sich mit diesem Thema befassen, teilten die Organisatoren vergangene Woche mit. Sein Motto: „Ich glaube…“.

Dabei verfolgen die Initiatoren das Ziel, den Begriff „Glauben“ umzudeuten. Der Begriff solle „nicht ausschließlich mit Religion oder Kirche in Verbindung gebracht werden“, bemüht sich der „IG CSD Stuttgart e.V.“ klarzustellen. Denn: „Jeder Mensch, auch der homosexuelle, glaubt – und zwar an ganz unterschiedliche Dinge: beispielsweise an die freie Meinungsäußerung, an sich selbst, an Gott, an eine tolerante Gesellschaft, an die Verbindung von Politik und Party, an den Zusammenhalt der schwul-lesbischen Community oder Menschheit, an eine faire Gesetzgebung, an ein weltoffenes Stuttgart, an freie Sexualität, an Emanzipation und, und, und. Die Liste lässt sich beliebig vorsetzen.“

Die Message: „Jeder glaubt!“ – Irgendwie

Es folgt der Versuch, den Begriff „Glaube“ auf den umgangssprachlichen Sinn von „glauben“ im Sinne von „vermuten“ zu beschränken: „Dabei glauben wir alle zuhauf. Jeder möge sich doch einmal vergegenwärtigen, wie oft man selbst an einem einzigen Tag sagt, denkt oder schreibt: ‚Ich glaube‘ und so seine tiefste Überzeugung oder einfach nur eine Vermutung äußert.“ Christoph Michl vom Vorstand des CSD e.V. schreibt: „Wir alle glauben! Das tun wir täglich. Und das tun wir aus Überzeugung. Oftmals aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aber wir tun es. Und das ist gut so. Denn, der Glaube treibt uns an.“ Dass auch Homosexuelle „glauben“, soll der Satz verdeutlichen, „wie ihn wohl jeder homosexuelle Mann oder jede homosexuelle Frau schon einmal ausgesprochen oder zumindest gedacht hat: ‚Ich glaube, dass ich anders bin!'“:

Dass der Begriff „Glaube“ jedoch immer noch zuvörderst mit Religion und Kirche in Verbindung steht, ist auch den Veranstaltern klar. Diese traditionelle Konnotation ist ihnen jedoch nach eigener Aussage unbehaglich: „Für viele Schwule und Lesben ist der Glaube dennoch ein sperriger, wenn nicht gar mit Ängsten behafteter Begriff.“

Die Organisatoren rufen die Menschen auf, das Motto „Ich glaube…“ des diesjährigen CSD der baden-württembergischen Landeshauptstadt, der vom 18. bis 27. Juli 2008 stattfindet, aufzugreifen, „zu ergänzen und auf eigene Art zu interpretieren.“ Die Homosexuellen stellen fest: „Weil viele religiöse Gruppierungen Homosexualität strikt ablehnen – meist unter Berufung auf heilige Texte, religiöse Schriften oder Traditionen – fühlen sich religiös geprägte Homosexuelle häufig in einen Gewissenskonflikt gedrängt.“ Die Frage steht offen, wer für den Gewissenskonflikt verantwortlich ist: die heiligen Texte, die Kirchen oder die Gewissen der Homosexuellen. Die Gewissensbisse seien jedenfalls Grund dafür, die Religion abzulehnen. Im Weiteren wird festgehalten, dass nicht-religiöse Menschen dazu tendieren, Religion zu meiden: „Für weniger oder nicht religiös geprägte homosexuelle Menschen als auch gemäßigt oder liberal religiös geprägte homosexuelle Menschen ist es ein Hauptgrund, bestimmten religiösen Gruppen oder Kirchen fernzubleiben, atheistisch zu leben beziehungsweise nur in bestimmten liberalen Kirchen Mitglied zu sein oder sich zu engagieren.“ Wenn Atheismus die Überzeugung ist, dass es keinen Gott gibt, stellt sich nicht nur die Frage, was die Kirchen dafür können, dass ein Homosexueller nichts mit Gott zu tun haben möchte, sondern auch, was sie dafür können, dass ein Homosexueller Gewissenskonflikte hat.

Die Organisatoren betonen im Zusammenhang mit dem Thema Homosexualität und Kirche, dass sie sich eine „kritische Auseinandersetzung“ und den „ehrlichen und offenen Dialog“ wünschen. Wie solch ein Dialog aussehen könnte, hätte Volker Beck bei seiner Kritik an einem von 250 Seminaren eines christlichen Großereignisses zeigen können. Doch statt den „ehrlichen und offenen Dialog“ zu suchen, forderte er von der Familienministerin empört den Rückzug von der Schirmherrschaft für dieses Event, prangerte öffentlich „gefährliche Psychokurse“ an, die dort abgehalten würden, und zog auch nach der Entfernung des kritisierten Seminars aus dem Programm vor den Bundestag und verurteilte die gesamte Veranstaltung als „antihomosexuell“, ohne dass er dies auch nur ansatzweise glaubhaft belegen konnte. Schmutzkampagne statt offener Dialog – es könnte sein, dass angesichts der Geschosse, die Homosexuelle derzeit gegen Christen auffahren, bald das Antidiskriminierungsgesetz greifen muss.

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