Auch eine Frage des Glaubens: Amerika vor der Wahl

Die evangelikalen Christen in den USA sind dabei, ihr politisches Themenspektrum zu verbreitern. Diese Ansicht äußerte der amerikanische Kirchenhistoriker Mark Noll am Dienstag auf einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie zu Berlin in der Französischen Friedrichstadtkirche auf dem Berliner Gendarmenmarkt.
Von PRO

Thema der Tagung war insbesondere die Rolle des evangelikalen Christentums in den USA und dessen Einfluss auf die Politik. Mark Noll, Professor für Kirchengeschichte an der Universität von Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana, gilt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Konfessionslehre und Entwicklung der Evangelikalen in den USA.

„Religion ein wichtiger Faktor in USA“

Auch im Präsidentschaftswahlkampf 2008 zeige sich, dass der persönliche Glaube in der amerikanischen Gesellschaft ein wesentlich größeres Gewicht habe als vielerorts in Europa. Religion sei zudem ein nach wie vor gewichtiger Faktor in der amerikanischen Politik, was auch in Europa wahrgenommen werde. „Um den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Barak Obama, gab es aufgrund seines früheren Pastors Jeremiah Wright heftige Debatten“, so Noll. „Und die Entscheidung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, die Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, zur Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin zu ernennen, hat die Frage des Glaubens auf eine noch höhere Ebene gebracht.“ Grund dafür seien insbesondere Palins charismatisch-evangelikaler Gemeindehintergrund und ihre grundsätzliche Ablehnung von Abtreibung. 

Klimawandel und Kampf gegen AIDS wichtig

Neue evangelikale Leiter seien heute jedoch weniger ideologisch verbrämt, sagte der Kirchengeschichtler. Neben Themen wie Homosexualität und Abtreibung werde die evangelikale Szene in den USA immer stärker auch vom Klimawandel und dem Kampf gegen AIDS bewegt.

So habe der Pastor der Saddleback-Megachurch, Rick Warren, den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Obama, zu einem Zeitpunkt in seine Gemeinde eingeladen, als noch gar nicht klar war, dass Obama einst für das Präsidentenamt kandidieren würde. „Der erste Besuch von Obama in Warrens Gemeinde fand statt, weil Warren Obama in dessen Kampf gegen AIDS unterstützen wollte“, so Noll. „So etwas wäre in einer evangelikalen Gemeinde vor Jahren noch undenkbar gewesen.“

Noll erinnerte daran, dass erst die Bürgerbewegung in den 1960er Jahren dazu führte, dass evangelikale Christen in den USA mehrheitlich die Republikaner wählten. Zuvor seien sie stets Anhänger der Demokraten gewesen. Das Urteil des Obersten Gerichts aus dem Jahr 1973, das einer Frau das Recht auf Abtreibung garantierte, führte außerdem zu Kooperationen zwischen konservativen Katholiken und konservativen Protestanten. „Das war in der bisherigen amerikanischen Geschichte schlicht undenkbar.“

Konfessionelle Unterschiede ohne Bedeutung in Politik

Teilnehmer der Tagung war zudem der designierte Kanzleramtsminister und CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe. In einer Diskussion stellte sich der engagierte Protestant den Fragen nach dem Einfluss religiöser Themen im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008. Konfessionelle Unterschiede spielten in der Gestaltung der Politik, wie sie in den Anfängen der Bundesrepublik vorkamen, heute keine Rolle mehr, so Gröhe. Er ist Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die Tagung wurde von der Evangelischen Akademie zu Berlin in Kooperation mit dem „German Marshall Fund of the United States“ durchgeführt. Die 1972 gegründete amerikanische Stiftung will die Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa fördern.

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