Attentate auf Priester: Kardinal gegen EU-Beitritt der Türkei

I s t a n b u l (PRO) - Ein erneuter Angriff auf einen katholischen Geistlichen in der Schwarzmeerregion hat gezeigt, dass die Türkei noch nicht reif ist für einen EU-Beitritt. Diese Meinung vertrat der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, am Dienstag.
Von PRO

Am Sonntag war ein Mann im türkischen Samsun auf den 74-jährigen französischen Priester Pierre François Rene Brunissen auf offener Straße zugegangen und hatte ihm ein Messer in den Unterleib gerammt. Brunissen wurde schwer verletzt, sein Zustand ist jedoch stabil.

Bei dem Täter handelte es sich um den 47-jährigen Arbeitslosen Atilla Nuran, der dem Geistlichen bekannt war. Wie die österreichische Zeitung „Die Presse“ berichtet, hatte der als psychisch labil geltende Nuran den Priester vor einiger Zeit mit der Begründung angezeigt, er habe in seiner Kirche ungenehmigten Unterricht abgehalten und „Propaganda für das Christentum“ verbreitet. Beim Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen hatte der Mann vor der Kirche Brunissens demonstriert; auf einem Transparent stand: „Christus schämt sich wegen Euch!“

„Keine wirkliche Religionsfreiheit in der Türkei“

Die Türkei sei kein wirklich säkularer Staat, in dem vollständige Religionsfreiheit herrsche, sagte Kardinal Walter Kasper. Das Attentat vom Wochenende erinnerte an die Ermordung eines anderen katholischen Priesters vor fünf Monaten. Anfang Februar hatte ein türkischer Jugendlicher in der türkischen Hafenstadt Trabzon den 60-jährigen Priester Andrea Santoro aus Italien erschossen. Augenzeugen berichteten, der Täter sei mit dem Ruf „Allah ist größer“ davon gelaufen.

„Es gibt sicherlich eine gewisse Toleranz, aber keine wirkliche Freiheit“, sagte Kasper gegenüber der Tageszeitung „Corriere della Sera“ aus Milan. „Die Türkei muss noch viele Dinge ändern und das ist keine Frage der Gesetze, sondern der Mentalität. Und eine Mentalität kann man nicht an einem Tag ändern.“

Er bezweifle, dass „die Integration der Türkei in die EU zu diesem Zeitpunkt schon möglich ist“. Bereits in der ARD-Talkshow „Beckmann“ hatte der Kurienkardinal im April von der türkischen Regierung mehr Religionsfreiheit gefordert. „Gerade weil die Türkei in die EU will, muss sie auch Religionsfreiheiten zugestehen“, sagte Kasper in der Sendung. Die katholische und auch andere Kirchen hätten in der Türkei nicht einmal das Recht, Eigentum zu besitzen, kritisierte Kasper. In diesem Bereich müsse die Türkei „noch manches nachlegen“.

Papst Benedikt XVI. will Ende November nach Istanbul reisen. Dies bezeichnete Kasper als „höchst brisant“. Nicht nur für alle Christen im Land sei der Besuch des Papstes „sehr wichtig“. Bevor er zum Papst berufen wurde, sagte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, das Fundament Europas sei christlich und daher passe ein moslemischer Staat nicht hinein.

Das politische System der Türkei ist offiziell säkular und fordert eine Trennung von Religion und Staat. Nach offiziellen Statistiken sind 99,8 Prozent der türkischen Bevölkerung Muslime.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen