Vielen Journalisten gelingt es nicht, eine kritische Sicht auf die Asylpolitik zu entwickeln, die über emotionale Betroffenheitsberichterstattung hinausgeht. Angesichts vieler offener Fragen wäre das aber bitter nötig. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Flüchtlinge werden in Deutschland von vielen Bürgern willkommen geheißen – auch von vielen Journalisten (Archivbild)
Die öffentliche Meinung zur Flüchtlingsdebatte und das, was zu dem Thema in den Medien zu hören ist, gehen weit auseinander. Das hat der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich erklärt und kritisiert, dass die Medien „einen auf Willkommenskultur“ machen. „Die Presse ist dabei, bestimmte Fakten auszublenden“, warnte er. „Die Leute wollen informiert werden. Sie wollen nicht die politische Meinung eines Redakteurs, der Stimmung macht.“
Friedrich hat mit dieser Einschätzung recht: Seit einigen Wochen ist eine Vermischung von Journalismus und Aktivismus zu beobachten. Vielen Journalisten gelingt es nicht, eine kritische Sicht auf die derzeitige Asylthematik zu entwickeln, die über die emotionale Berichterstattung über das Leid vieler Flüchtlinge hinausgeht. Dabei wäre genau das ihre Aufgabe.
Es ist zwar zunächst völlig nachvollziehbar und legitim, wenn Journalisten, sei es aus echter Anteilnahme oder allgemeiner Euphorie heraus, Menschen helfen wollen, die in den Massenunterkünften auf bessere Zeiten warten. Die Boulevardblätter Bild und B.Z. haben Beilagen auf Arabisch gedruckt, Bild hat es mit seiner „Wir helfen“-Kampagne in Form eines Ansteckers bis auf das Revers von Sigmar Gabriel geschafft. Das hat aber nur wenig mit den Kernaufgaben des Journalismus zu tun, wie auch ein Appell der Wochenzeitung Die Zeit, in dem diverse europäische Chefredakteure, einschließlich des Zeit-Ressortleiters Politik, Maßnahmen zur Flüchtlingspolitik fordern.
Tagesschau: Information oder Volkspädagogik?
Die ARD-Tagesschau wirbt derzeit mit rührseligen Videos für die Beteiligung an Flüchtlingsprojekten. Chefredakteur Kai Gniffke verteidigt die pädagogisch anmutenden Kurzfilme als „Teil unseres Auftrags“. Gleichwohl gibt er zu bedenken: „Die Gefahr bei dieser Art von Informationen ist, dass wir uns selbst als Beschützer der Flüchtlinge inszenieren und alles toll finden, was mit Flüchtlingen zu tun hat. Das wäre unjournalistisch.“
Wohltätigkeit und praktische Hilfe für Flüchtlinge ist menschlich und christlich geboten. Es ist schön, dass Journalisten hier Haltung zeigen. Gleichzeitig müssen sie aber ihrer professionellen Verantwortung gerecht werden und häufiger und ohne Schönfärberei jene unbequemen Fragen stellen, die im Internet längst heiß diskutiert werden. Kommen 2015 eine Million Flüchtlinge nach Deutschland, wie viele werden es in den kommenden Jahren sein? Es liegt auf der Hand, dass die Zuwanderung von einer, zwei oder fünf Millionen Menschen mit anderem religiösen und kulturellen Hintergrund das Leben in Deutschland massiv verändern wird, weit über Sozialsysteme, Bildungs- und Gesundheitswesen hinaus. Enstprechend viele offene Fragen und berechtigte Ängste gibt es.
Der taz-Redakteur Martin Kaul war mehrere Tage mit Flüchtlingen unterwegs, und denkt in einem großartigen Text über die Frage nach: „Wann wird ein Journalist zum Teil der Geschichte?“ Er hat für die Flüchtlinge eingekauft und möchte mit Kollegen darüber diskutieren, ob sich dies mit seiner Rolle als Journalist vereinbaren lässt. Ich finde: ja. Solange Journalisten vor Empathie nicht vergessen, Antworten auf die Fragen ihres Publikums einzufordern. (pro)
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