von Andreas Dippel
In drei Reportagen ging es bei „Arte“ am Dienstagabend um den „Glaubenskrieg um die Evolution“, um Teufelsaustreibungen an kleinen Kindern und drei Jugendliche, die sich der „Jesus Revolution Army“ angeschlossen haben. Es war ein Themenabend „mit christlichem Sprengstoff“, wie der Sender selbst verkündete, und die Programmmacher taten das ihrige, um auch genügend „Sprengstoff“ zu liefern: Europa werde von christlichen Fundamentalisten erfasst, von evangelikalen Gemeinden.
„Viele fühlen sich in Europa noch relativ sicher und glauben, fest auf dem Boden von Aufklärung und Demokratie zu stehen“, hieß es da. Doch das Fundament sei brüchig, „der ‚alte‘ Kontinent wird langsam vom christlichen Fundamentalismus erfasst. Fast unbemerkt setzen freie evangelikale Kirchen und Bewegungen zum konservativen Siegesszug an. Mit der Bibel in der Hand, mit militärischer Disziplin und dem Horrorszenario der Hölle bekämpfen sie das Böse. Damit erobern sie nicht nur die Schulen und die Jugend in Deutschland, England, Frankreich oder Holland, auch in den Migrantenmilieus sind sie zu Hause.“
Christliche Unterwanderung?
Den Auftakt des Themenabends machte ein Beitrag über „Intelligent Design“ und Evolution: „Von Göttern und Designern – Ein Glaubenskrieg erreicht Europa“. Darin berichteten die Autoren über die Debatte um die Evolutionstheorie: „In den modernen Wissenschaften ist Charles Darwin unumstritten, der Gründer der Evolutionstheorie, der sagt, dass sich alles Leben aus dem gleichen Ursprung entwickelt hat. Dagegen kämpfen in den USA und in Europa bibeltreue, evangelikale Christen. In der Politik und in den Schulen sind sie erfolgreich, vor allem im Biologieunterricht, wo die biblischen Ideen von der Entstehung der Erde, der Kreationismus und das Intelligent Design nichts zu suchen haben. Die Dokumentation zeigt unter anderem, wie der Glaubenskrieg in einzelne deutsche Schulen Eingang gefunden hat.“
Der zweite Beitrag trug den Titel „Hexenkind – Folter im Namen Gottes“. In der Dokumentation ging es um „Teufelsaustreibung an kleinen Kindern“. Opfer seien oft Kinder von „Mitgliedern freier evangelikaler Kirchen, die aus armen afrikanischen Ländern stammen.“ Es sei eine „neue Art von Verbrechen an Kindern“, die Europa erreicht habe.
Der dritte Beitrag widmete sich drei Jugendlichen, die sich der Organisation „Jesus Revolution Army“ angeschlossen haben und ein „strengstes Bibelverständnis“ verträten.
Schöpfungslehre in der Schule
Insbesondere der erste Beitrag des Themenabends zum „christlichen Fundamentalismus“ ließ die Diskussionen um Evolution und Schöpfung im Schulunterricht neu aufflammen. Denn im Mittelpunkt der Reportage standen zwei Schulen, an denen Schülern im Biologieunterricht neben der Evolutionstheorie auch die Schöpfungslehre vermittelt werden soll. Die eine Schule ist die August-Herman-Francke Schule in Gießen, eine christliche Privatschule. Die andere das Liebig-Gymnasium, ebenfalls im mittelhessischen Gießen. Die Reporter des WDR, die den Beitrag drehten, ließen ausgiebig eine Familie zu Wort kommen, deren Kinder an der August-Herman-Francke Schule unterrichtet wurden. Und auch ein ehemaliger Lehrer kam zu Wort. Der Vater warf der Schule vor, seine Kinder in ihrer Meinungsbildung beeinflusst zu haben, da sie lernten, dass sie der Evolutionstheorie zumindest misstrauen sollten.
Wolfgang Meyer ist Biologielehrer an dem staatlichen Liebig-Gymnasium in Gießen. Er erklärt den Reporten seine Sicht der Dinge: „Ich stelle den Schülern im Biologieunterricht beide Modelle vor, die Evolutionstheorie und die Schöpfungslehre. Sie sollen sich mit beiden Theorien auseinander setzen.“ Auch Reinhard Junker von der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ kommt zu Wort: „Wir werden hier mit der Evolutionslehre groß, sie scheint uns die selbstverständliche Sicht der Dinge. Doch es muss erlaubt sein, nachzufragen und kritisch zu hinterfragen.“
Fakt ist: Die christliche Privatschule, Biologielehrer Meyer und die Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ wurden in der Reportage als Belege dafür präsentiert, wie weit „christliche Fundamentalisten“ schon bei ihrer „Unterwanderung deutscher Schulen“ vorangeschritten sind. Christen wurden wie selten zuvor in eine Ecke mit Sektenmitgliedern, Fanatikern, Spinnern gerückt. Dass Lehrer ihren Schülern beibringen, auch die Evolutionstheorie kritisch zu hinterfragen, gilt den Reportern schon als Beleg für Fanatismus.
Baake: „Beleidigung vieler Christen“
Der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP (Wetzlar), Wolfgang Baake, warf dem Fernsehsender Arte eine „tendenziöse und für zahlreiche Christen beleidigende Berichterstattung“ vor. Insbesondere der Titel der Reportage über Evolution und Schöpfung, „Von Göttern und Designern – Ein Glaubenskrieg erreicht Europa“, sei eine Beleidigung für gläubige Christen, so Baake.
„Der Begriff ‚Glaubenskrieg‘ postuliert stillschweigend eine Gleichsetzung mit dem islamischen Fundamentalismus, von dem sich jeder gerade in diesen Tagen überzeugen kann: Nach der Rede von Papst Benedikt XVI. beschmieren Moslems Hunderte Kirchen und verbrennen Papstfiguren.“ Wer Christen einen „Glaubenskrieg“ unterstelle, dass auch Christen ihre Überzeugungen mit Gewalt durchzusetzen suchten. „Das ist eine Beleidigung und beispiellos tendenziöse Berichterstattung“, sagte Wolfgang Baake weiter.
„Christen wurden polemisch vorgeführt“
Der Sender habe in seiner Reportage zudem „auf polemische Weise“ Schulen und Lehrer vorgeführt, die neben der Evolutionstheorie eine Theorie des Intelligent Design (ID) oder den Glaube an den biblischen Schöpfungsbericht vertreten. Dabei hätten die Redakteure auf Stereotypen zurückgegriffen, die Christen als „Gegner der Moderne“ darstellten. „Es war in dem Beitrag die Rede davon, dass Christen das Denken des Mittelaltern herbeiführen wollen. Das ist doch völliger Unsinn.“
SPD-Politiker fordern Konsequenzen
Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Heike Habermann, und Thorsten Schäfer-Gümbel, sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter aus Gießen, forderten nach Ausstrahlung des Beitrages die Hessische Kultusministerin Karin Wolff auf, Konsequenzen aus den Recherchen der Reporter zu ziehen. Die Vorgänge an den Schulen sollten „sofort abgestellt werden“. Zudem müsse die Kultusministerin klarstellen, „welche Konsequenzen für die betroffenen Lehrkräfte gezogen werden“.
Warum die beiden Abgeordneten dies fordern, schreiben sie auch – und diese Begründung ist bezeichnend: Sie sehen nichts weniger als die „Prinzipien der Aufklärung“ in Gefahr. Offenbar können sich auch Politiker nur in Stereotypen flüchten, wenn sie an Christen denken. „Arte“ jedenfalls hat Evangelikale wie selten zuvor auf eine Stufe gestellt mit radikalen Sektierern, die ihre Ziele mit Gehirnwäsche vorantreiben. Von Ausgewogenheit fehlte dabei jede Spur.
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In der Ausgabe 1/2006 des Christlichen Medienmagazins pro haben wir ein Interview mit Wolfgang Meier, Biologielehrer am Liebig-Gymnasium, und Harald Kronenberger von der August-Hermann-Francke-Schule zum Thema „Schöpfungslehre in der Schule?“ geführt. Das gesamte Interview können Sie in diesem PDF-Dokument erneut lesen.