Meinung

„Arte“ schildert Leben der Amish

Der Fernsehsender „Arte“ schildert das Leben der Amish, einer konservativen christlichen Glaubensgemeinschaft in den USA. Die Dokumentation kommt ohne Häme aus, allerdings auch ohne kritische Stimmen.
Von Norbert Schäfer
Das Leben der Amish

Eine Dokumentation des Fernsehsenders „Arte“ widmet sich der religiösen Gemeinschaft der Amish. Die Mitglieder der täuferisch-protestantischen Glaubensgemeinschaft, deren Ursprung im Europa des 17. Jahrhunderts liegen, leben heute überwiegend in den USA.

In der Dokumentation „Das Leben der Amish“ taucht Barbara Völkel ein in die Lebenswirklichkeit der konservativ gesinnten und für sich lebenden Christen, deren Alltag im tiefen Glauben an Gott und Bibel, uralten Traditionen sowie der Liebe zur Landwirtschaft und dem Handwert verwurzelt ist. Zudem legen die Amish großen Wert auf Demut und „Gelassenheit“, der Anerkennung des Willens Gottes.

Fernsehen und Internet spielen demnach im Leben der Amish „alter Ordnung“ keine Rolle. Die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft vermeiden „zum Wohl der Familie“ weitgehend den Einsatz von Technik. Strom wird nur dann genutzt, wenn er mit eigenen Generatoren oder einer Solaranlage hergestellt wird oder aus einer Batterie kommt. Auch auf Autos verzichten die Amish. Stattdessen dienen Pferde und Kutschen – wie vor dreihundert Jahren – überwiegend als Fortbewegungsmittel.

Völkel dokumentiert ohne Häme die konservative und von der Bibel abgeleitete Lebensweise amischer Familien in der Gegend um Middlefield im Geauga County. Dabei werden die traditionellen Werte, die schlichte Lebensweise und der tiefe Glaube hier vielen Zuschauern völlig antiquiert vorkommen.

Aber die Autorin schildert sachlich die Einstellung dieser Glaubensgemeinschaft zu Arbeit, Ehe, Familie, Kindern, gegenüber Abtreibung oder Fragen der Erziehung und der Politik. Die Dokumentation zeigt einerseits, was in der Gemeinschaft seit Generationen als unverrückbar gilt, aber auch, wie sich bei den Amish Regeln und Ordnungen ändern. Etwa, wenn ein amischer Unternehmer im Beruf Telefon und Computer ganz selbstverständlich benutzt, weil das seine Gemeinschaft mittlerweile erlaubt, aber privat darauf verzichtet, weil das weiterhin von der Religionsgemeinschaft zuhause nicht gestattet wird.

Kritische Stimmen fehlen

Die Dokumentation zeigt, dass in den amischen Gemeinschaften Kinder – durchschnittlich haben Amish sechs Kinder – bei der Farmarbeit oder im Haushalt mithelfen. Ebenso, dass in amischen Schulen, in Ohio sind es nach Angaben der Dokumentation rund 350 für Schüler zwischen fünf und 14 Jahren, die Bibel als Lehr- und Unterrichtsmittel die zentrale Rolle einnimmt.

Im Gegensatz zu anderen TV-Dokumentationen über besondere Religions- oder Glaubensgemeinschaften, die fremdelnd bis zynisch daherkommen können, schildert Völkel das Leben der Amish ohne Herablassung. Das ist erfreulich. Dass das Leben in einer amischen Gemeinschaft nicht nur eitel Freude und Sonnenschein bedeuten, wird von der Dokumentation lediglich gestreift. Etwa, wenn Inzest innert der Gemeinschaft zur Rede kommt.

Schade, dass in der Dokumentation keinerlei kritische Stimmen zu Facetten amischen Lebens – etwa wenn es um Kinderarbeit, Bildung oder die Rollen von Mann und Frau geht –, zu Wort kommen. Ebenfalls ist zu bedauern, dass die rund 45-minütige Dokumentation die europäischen Wurzeln dieser Glaubensgemeinschaft gänzlich im Dunkeln belässt. Damit bleibt die durchaus sehenswerte Dokumentation über die Amish auf der einen Seite zwar sachlich, aber auf der anderen Seite auch unkritisch und damit in Teilen romantisierend.

Arte-Mediathek: „Das Leben der Amish“

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