„arte“-Dokumentation: Kampf um den Vatikan

Einen Einblick hinter die Kulissen des 2. Vatikanischen Konzils gibt eine  Dokumentation, die "arte"am morgigen Dienstag um 20.15 Uhr ausstrahlt. Unter dem Titel "Kampf um den Vatikan" spannt sie einen Bogen von 1962 bis zu den Auswirkungen, die die Zusammenkunft aller katholischen Bischöfe bis heute auf die Kirche hat.
Von PRO

Die Dokumentation von Holger Preusse und Ludwig Ring-Eifel macht dabei den Zwiespalt zwischen Modernisierung und der Angst vor innerer Spaltung deutlich, den die Kirche damals aushalten musste. Initiiert von Papst Johannes XXIII., verfolgte dieser mit dem Konzil die "kühne Vision", die Kirche zu erneuern und sie durch seine Art des Papstseins wieder der Welt anzunähern.

Erste Versammlung unter den Bedingungen der neuen Welt

Aus Sicht der Autoren hatte sich die Kirche seit dem 1. Vatikanischen Konzil 1870 zu "einem Schutzwall entwickelt, der den Anfeindungen der Gegenwart trotzte". Vor allem in den sechsziger Jahren sei der Riss zwischen machtvoller Fassade und schwächerem Fundament erkennbar geworden – und führte zur ersten Versammlung aller Bischöfe unter den medialen "Bedingungen der neuen Welt".

In dem 52-minütigen Beitrag kommen Vatikan-Kenner sowie die gläubige Katholikin und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zu Wort. Sie äußern sich nicht nur zur Kritik am Konzil, sondern auch zu Fragen der Autorität und Hierarchie innerhalb der Kirche. Der Vorwurf an die Konzilsväter lautete, dass die wirklichen gesellschaftlichen Probleme in den Dekreten nicht erwähnt waren. Die "arte"-Autoren schildern, die Ränkespiele hinter den Kulissen und wie es den Gruppierungen gelang, Mehrheiten für ihre Ziele zu finden. Die Dokumentation zeigt, wie unter den entscheidenden Charakteren der Einfluss einer Person erheblich wuchs: der von Joseph Kardinal Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI.

Viele Themen ausgeklammert

Nach dem Tod Johannes XXIII., im Laufe des Konzils, sei mit Paul VI. ein Intellektueller mit wenig Charisma Papst geworden und habe das Konzil weitergeführt. Inhaltlich diskutierten die Bischöfe die Reform der Liturgie und die Entstehung biblischer Texte sowie das Verhältnis zur orthodoxen Kirche und die Rechte der Bischöfe. Erzkonservative Mahner sahen in der Frage der Religionsfreiheit den Wahrheitsanspruch der Kirche schwinden. Kritker mahnten, dass viele Dinge, wie Sexualmoral und Ehelosigkeit der Priester, vollständig ausgeklammert wurden.

Nach den Abstimmung im Herbst 1965 befand sich die Kirche in einer Hochstimmung. Die Dokumentation blickt auch auf die Zeit danach und sieht vor allem in den Studentenprotesten in Deutschland und den USA sowie der gesellschaftflichen und kulturellen Revolution einen Ausfluss des Konzils. Innerhalb der Katholischen Kirche sei die weltweite Ausbreitung der Demokratisierungsbestrebungen gestoppt worden. Theologen wie Eugen Drewermann, Hans Küng und Uta Ranke-Heinemann mit ihren provokanten Thesen hätten einen enormen Zulauf erhalten.

Statt der Kirche, Gott im Mittelpunkt

Erst 20 Jahre später habe Papst Johannes Paul II. etliche Punkte des Konzils umgesetzt. Zahlreiche Entwicklungen für die heutige Religonsfreiheit seien ohne die damaligen Beschlüsse gar nicht möglich gewesen, so die Autoren. Der aktuelle Papst Benedikt XVI. habe in seiner Amtszeit bisher die Spielräume genutzt, die er beim Konzil selbst mitbestimmt habe. Er besuchte Synagogen und Moscheen und habe nicht nur die europäische Glaubenskrise erkannt, sondern auch die Kirche in Afrika gestärkt. "Statt der Kirche rückte er Gott in den Mittelpunkt seines Papsttums", folgert der Beitrag, der zudem zeigt, dass Ratzinger mit missverständlichen Zitaten in theologischen Fragen aneckte.

Aus Sicht der Autoren gehe die Kirche fünfzig Jahre nach dem Konzil 1962 in eine neue Runde im Umgang mit Krisen. Viele interne Konflikte seien noch nicht ausgestanden. Zudem setze sie sich häufig nicht den drängenden Fragen der Gesellschaft aus. Äußere Erfolge überdeckten innere Widersprüche. Um ihren Auftrag in der Welt zu erfüllen, müsse die Kirche aber demütig agieren. (pro)

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