ARD-Journalisten an Kirche: Keine Zusammenarbeit mit Evangelikalen

Die beiden ARD-Journalisten Oda Lambrecht und Christian Baars plädieren in ihrem jetzt erschienenen Buch "Mission Gottesreich – Fundamentalistische Christen in Deutschland" für eine Trennung zwischen Landeskirche und evangelikal-freikirchlichen Gemeinden und Verbänden. "Wenn Minderheiten diskriminiert oder gegen andere Positionen gehetzt wird, dürfen die, die damit nicht einverstanden sind, nicht schweigen", so die Journalisten.
Von PRO

Lambrecht und Baars haben für ihr Buch „Mission Gottesreich“ zahlreiche Gespräche mit Vertretern aus evangelikalen Gemeinden und Verbänden, aber auch Landeskirchen geführt, haben Artikel auf Internetseiten, in Büchern und Magazinen gelesen oder haben Gottesdienste besucht und Predigten von Pastoren analysiert. Auf knapp 250 Seiten geben die beiden ARD-Journalisten zahlreiche Einblicke in die Arbeit und mutmaßlichen Pläne von Verbänden – darunter auch des Christlichen Medienverbundes KEP, Herausgeber dieses Online-Portals – die aus ihrer Sicht gegen eine Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sprechen.

Stellung gegen Evangelikale beziehen

„Wir würden uns wünschen, dass mehr Menschen, die die Werte der Evangelikalen und ihren Absolutheitsanspruch nicht teilen, Stellung beziehen – auch mehr Christen aus den Landeskirchen. Der Mitgliederrückgang darf kein Grund sein, sich widerspruchslos fundamentalistischen Positionen anzunähern. Bei gemeinsamen Missionsveranstaltungen sollten nicht-evangelikale Vertreter der evangelischen Kirche den Evangelikalen nicht die Organisation überlassen. Intoleranz und Diskriminierung dürfen nicht geduldet werden“, fordern Lambrecht und Baars.

Einen „Absolutheitsanspruch“ unter Evangelikalen sehen die Autoren insbesondere in der Frage des Bibelverständnisses oder dem Anspruch von einigen Gemeinden, die sich dem evangelikalen Spektrum zurechnen. „In einigen fundamentalistischen Gemeinschaften fühlen sich die Leiter durch Gott berufen, verlangen absoluten Gehorsam und unermüdlichen Einsatz. Sie kontrollieren, fordern und drohen. Zweifel und Kritik werden als dämonisch gewertet, als Zeichen des Bösen. Die Gläubigen leben isoliert, Kontakt mit der Außenwelt ist nicht erwünscht“, schildern die Autoren. „Fundamentalismus“ beginne für sie jedoch „nicht erst dort, wo Machtmissbrauch, Kontrollen und strenge Hierarchien den Gemeindealltag bestimmen. Wir definieren ihn über das Bibelverständnis.“

Aufgrund von Stellungnahmen etwa aus der Lausanner Verpflichtung, einem Grundsatzpapier der Evangelischen Allianz, in dem von Jesus Christus als dem Herrn die Rede ist, zeige sich eine klare „fundamentalistische Haltung der bibeltreuen Gläubigen“.

„Kampf gegen Abtreibung“

Themen des Buches „Mission Gottesreich“ sind zudem der „Kampf gegen Abtreibung“, den evangelikale Christen betrieben. Lambrecht und Baars zitieren aus dem Buch „Die Evangelikalen“ von Stephan Holthaus: „Für Evangelikale ist der Kampf gegen den Schwangerschaftsabbruch ein wichtiges Anliegen. Vehement wehre man sich gegen ein ‚Recht auf Abtreibung‘, schreibt zum Beispiel der evangelikale Theologe Stephan Holthaus. Auch der Evangelikale Dachverband ‚Deutsche Evangelische Allianz‘ lehnt Abtreibung in seinem Grundsatzpapier ‚Das Recht des Menschen auf Leben‘ deutlich ab. Die Vertreter sind davon überzeugt, dass jeder Mensch, ‚vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei und Samenzelle an‘, als Gottes Geschöpf, der menschlichen Willkür entzogen sei. Daher obliege es nicht der freien Entscheidung eines oder beider Elternteile, über das weitere Leben eines Kindes im Mutterleib zu entscheiden. Im ‚Allianz‘-Papier heißt es weiter, die Beteiligung an Kindes Tötungen führe in vielen Fällen zu seelischen Verwundungen und Störungen, zusätzlich zu häufig auftretenden Schädigungen.“ Erwähnt werden außerdem die Debatten um evangelische Bekenntnisschulen in Deutschland, Fragen zur Einschätzung von Homosexualität oder Kreationismus.

Die Kooperation zwischen EKD und evangelikalen Gemeinden wird von Lambrecht und Baars etwa an der Übertragung eines ZDF-Gottesdienstes aus dem Christus Centrum Tostedt, einer Pfingstgemeinde, im Mai 2008 beschrieben. „Auch innerhalb der Landeskirchen hat sich das Verhältnis zwischen Evangelikalen und Nicht-Evangelikalen entspannt“, heißt es in dem Kapitel „Der Einfluss wächst – Evangelikale und die Landeskirchen“. Als Beispiele werden der Besuch des EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber auf dem „Christival“ 2008 aufgeführt, auch dessen Unterstützung aufgrund der massiven Kritik durch den Grünen-Politiker Volker Beck aufgrund eines Seminars zur Homosexualität. Weiteres Beispiel ist die Einladung Hubers an Ulrich Parzany, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin die „Gottesdienste als Entdeckungsreise“ zu halten. Im Zusammenhang mit der Evangelisationsveranstaltung „ProChrist“ heißt es: „Ulrich Parzany spricht sich auch für eine offensive Mission aus.“

Bischöfin Jepsen: „Vielfalt muss in Kirche möglich sein“

Die Zusammenarbeit von EKD und Evangelikalen wird auch anhand der Jugendveranstaltung „JesusHouse“ dargestellt, die im April 2007 in Hamburg stattfand. Lambrecht und Baars schreiben: „JesusHouse wird ebenfalls von der evangelischen Kirche unterstützt. Schirmherrin der Veranstaltung ist die Bischöfin der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche, Maria Jepsen. Zum Auftakt des mehrtägigen Festivals in der Hamburger Fischauktionskanäle begrüßt sie die jungen Gläubigen. Auf die Frage, wie sie solche Kooperationen beurteile, schreibt Jepsen (an die Buchautoren, d.Red.): ‚Wenn ich als Bischöfin gebeten werde, dort zu sprechen, und einen biblischen Text auslege, dann entspricht das mein Auftrag.‘ Nicht alle Frömmigkeitsformen entsprächen ihrer eigenen, aber diese Vielfalt müsse in der Kirche möglich sein. Jepsen sagte, auch wenn sie einige Positionen der Evangelikalen nicht teile, freue sie sich, dass sich bei JesusHouse viele Jugendliche mit Glaubensfragen auseinander setzten.“

Oberkirchenrat Gundlach: „Positive Koperationen“

Thies Gundlach, Oberkirchenrat der EKD, begrüßt in dem Buch die Zusammenarbeit mit Ulrich Parzany. Die Autoren schreiben: „Gundlach lobt dessen ‚Missionsarbeit‘, damit habe er viele junge Leute angesprochen. ‚Ich sehe hier keine starken Gegensätze.‘ Die EKD hat uns Thies Gundlach als offiziellen Vertreter zu Fragen über die Zusammenarbeit mit evangelikalen Gruppen vermittelt. Der Theologe sagt, dass sich das Verhältnis zwischen Evangelikalen und EKD geändert habe. Es habe sich deutlich entspannt, weil beide Seiten im Grunde genommen von der gleichen Sache überzeugt seien… Gundlach erklärt, dass sich die Gruppen in ihrem Verständnis für das Anliegen der Kirche zum Beispiel bei der Mission aneinander angeglichen hätten… Außerdem begrüßt er die erste Gottesdienstübertragung einer Pfingstgemeinde und sagt, sie habe im Fernsehen eine große Zustimmung erhalten: ‚Ich finde, dass eine Öffnung zu dieser Frömmigkeitsform, die von vielen geteilt wird, positiv zu bewerten ist.'“

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