ARD: Front gegen Talkshows wird stärker

Die ARD-interne Kritik an den Talks am späten Abend nimmt weiter zu. Nach dem WDR- und dem NDR-Rundfunkrat forderte jetzt auch der ARD-Programmbeirat einen Abbau der Gesprächsrunden, die das Programm von Sonntag bis Donnerstag prägen. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel weist die Kritik zurück.
Von PRO

In einem internen Papier, aus dem das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe zitiert, wird den Talks "Themendoppelungen und -verschleiß" sowie "Gästedoppelungen- und verschleiß" vorgeworfen.

"In den Sendungen tauchten zunehmend wieder die altbekannten Talkshowgäste auf, die bereits seit mehreren Jahren in den Runden sitzen", hieß es weiter in dem Papier. 38 Personen seien im Zeitraum von September bis April mindestens dreimal zu Gast in den ARD-Talks gewesen, 14 Gäste mindestens viermal. Ursula von der Leyen, Karl Lauterbach, Hans-Ulrich Jörges, Sahra Wagenknecht und Gertrud Höhler waren fünfmal dabei, Heiner Geißler sogar sechsmal.

Rund 40 Prozent der Talkgäste seien Politiker und Journalisten, nur zwei Prozent sind jünger als 30, gerade mal zehn Prozent jünger als 40. Der Beirat forderte die Redaktionen auf, "aktiv nach neuen Gesichtern zu suchen, nach Querdenkern und zum Beispiel Gästen unter 40 Jahren".

Günther Jauch "betreibt Stimmungsmache"

Auch die Qualität der Talker nimmt der Programmbeirat, der aus Vertretern der verschiedenen Landesrundfunkanstalten besteht und unter anderem den Programmdirektor Volker Herres berät, ins Visier. Kein gutes Haar lässt das Gremium an Neuzugang Günther Jauch, der am 11. September 2011 den Sonntagssendeplatz um 21.45 Uhr übernahm. Der Moderator betreibe "Stimmungsmache", seine Einspieler mit Passantenbefragungen "gaukeln eine vermeintliche Realität vor". In seinen Fragen nehme er meistens schon die "Antworten vorweg".

Bei Anne Will gebe es immer wieder Sendungen mit wenig Erkenntnisgewinn, hieß es. Sandra Maischberger sollte bei der Auswahl skurriler Gäste darauf achten, keine öffentlich-rechtlichen Grenzen zu überschreiten. "Hart aber fair" mit Frank Plasberg sei zu "soft" geworden.

"Ich persönlich teile die pauschale Kritik des Programmbeirats nicht", sagte die ARD-Vorsitzende Monika Piel. "Die Intendantinnen und Intendanten werden sich damit, wie auch mit Hinweisen zu anderen Programmangeboten, auseinandersetzen. Bereits im Frühjahr hatten die Intendantinnen und Intendanten beschlossen, Ende dieses Jahres über das Talkshowschema zu beraten", so die Journalistin. "Fest steht, dass die Gesprächssendungen ein attraktives Programmangebot darstellen, das in der deutlichen Mehrzahl vom Publikum sehr gut akzeptiert wird."

In den vergangenen Wochen hatte bereits der WDR-Rundfunkrat öffentlich über die Talks geklagt. Zudem wurden Papiere aus dem Programmausschuss des NDR-Rundfunkrats bekannt, in denen er seine Kritik deutlich gemacht hatte. Beide forderten ebenfalls eine Reduzierung der Sendungen sowie mehr Abwechslung in den Themen und bei den Gästen.

"Moderatoren nicht demontieren"

Der ARD-Programmbeirat hat am Montag Vermutungen zurückgewiesen, er wolle hauseigene Moderatoren "demontieren oder jemanden aus der ARD treiben". Das teilte Petra Zellhuber-Vogel, Chefin des Gremiums, das dem ARD-Programmdirektor beratend zur Seite steht, mit. "Ich bedauere sehr, dass unser internes und vertrauliches Beratungspapier durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit gelangt ist", teilte Zellhuber-Vogel mit Blick auf die Berichterstattung im "Spiegel" weiter mit. "Dafür war es nicht bestimmt."

Die Aufgabe des Programmbeirates sei es, ARD-intern Beobachtungen frei vorzutragen und kritisch-konstruktive Vorschläge zu unterbreiten. Würden bewusst ausgewählte Formulierungen daraus in Presseveröffentlichungen zitiert, entstehe zwangsläufig ein falscher Eindruck.

Der ARD-Programmbeirat verstehe seine Arbeit als unterstützende Beratung zur Qualitätsverbesserung der Angebote für alle Beteiligten. Die Beobachtungen und Bewertungen des Programmbeirats fänden fortlaufend statt und seien prozessorientiert. "Daher möchte ich darauf hinweisen, dass unsere interne Stellungnahme zu den Talk-Formaten im Ersten auf Programmbeobachtungen im Zeitraum von September 2011 bis Mitte Februar dieses Jahres beruht", so Zellhuber-Vogel. (dpa/pro)

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