ARD-Doku: Haben Christen zu viel Einfluss?

„Wie viel Religion verträgt die Republik?“ fragte der Journalist Tilman Jens am Mittwochabend in einer Dokumentation im Ersten. Wenig, scheint seine These zu lauten, denn: Weder Christen, Juden noch Muslime kommen in dem überwiegend langweiligen Film gut weg. Eine TV-Kritik von Moritz Breckner
Von PRO

Irgendetwas stimmt nicht mit Religion und Kirche. Gläubige Menschen sind irgendwie suspekt. Da scheint eine Verschwörung im Gang zu sein. Das ist der Eindruck, den Zuschauer der ARD-Doku „Koalition der Frommen“ gewinnen: Wenn Angela Merkel Bischof Robert Zollitsch die Hand schüttelt, liegt ein grauer Schleier auf dem Bild, im Hintergrund ernste Musik. Als Schnittbilder sind immer wieder Kirchenglocken in Farbfilter und Zeitlupe zu sehen, wenn die ernste Off-Stimme ihre immer gleichen Suggestivfragen wiederholt: Gibt es eine Koalition der Frommen in Deutschland? Wie verflochten sind Staat und Kirche in diesem Land? Muss sich da nicht etwas ändern?

Die Interviewpartner, die abwechselnd vor Bücherwänden und Bäumen zu Wort kommen, sind gar nicht schlecht ausgewählt. Die SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier kritisiert das kirchliche Arbeitsrecht, der katholische Publizist Manfred Lütz gibt ihr teilweise recht. Der frühere Spitzenpolitiker Bernhard Vogel bekennt, dass viele Probleme der Kirche „hausgemacht“ seien, etwa durch Missbrauchs-Skandale, selbstgerechte Würdenträger oder die Ungleichbehandlung der Frau. Der Journalist Alexander Kissler befürchtet, dass die Kirchen durch ihre „Versippung mit dem Staat“ Beißhemmungen entwickelt haben und sich nicht mehr trauen, Probleme mit der nötigen Schärfe anzusprechen.

Muslime fordern Sendezeit im Fernsehen

Für die Muslime in Deutschland kommt unter anderem der Emir Abdullah Wagishauser aus Flörsheim zu Wort. Seine Kongregation hat als erste muslimische Gemeinde in Deutschland den Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ erhalten. Für ihn nicht genug: Muslime sollen Plätze in Rundfunk- und Ethikräten sowie Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bekommen, um sich präsentieren zu können. Anderer Meinung ist die Rechtsanwältin Seyran Ateş, für die bereits die Anerkennung als Körperschaft ein Schritt zu viel ist. „Rechtsstaat und Verfassungsschutz haben hier nicht ausreichend hingeschaut“, sagt sie und kritisiert, die nun anerkannte Gemeinde propagiere Zwangsehen und Intoleranz gegenüber Homosexuellen sowie der säkularen Welt.

Die Dokumentation beleuchtet auch die Debatte um die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung in Deutschland. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärt: „Wir waren in der Debatte hochmütigen Belehrungen und schroffen Lektionen ausgesetzt. Da hat uns vieles ganz, ganz wehgetan.“ Der Historiker Michael Wolffsohn sieht das aus einem anderen Blickwinkel: „Wenn die Inhalte des Judentums von der Beschneidung abhängen, dann ist es um die Inhalte schlecht bestellt.“

Ateş wiederum merkt an, dass sich in der Beschneidungsdebatte sämtliche Frommen verbündet hätten, was sie nicht überrasche. Die vielleicht klügsten Worte der Sendung kommen daraufhin von der Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags, Ellen Ueberschär: „Vielleicht ist das ja eine Koalition derjenigen, denen überhaupt noch etwas heilig ist. Denn wenn einem nichts mehr heilig ist, dann am Ende auch nicht mehr das Menschenleben.“

Und so eignet sich Jens‘ Dokumentation weder zum Aufklären noch Aufregen – sie bietet schlicht wenig Neues und bleibt über weite Strecken langweilig. (pro)

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