Im Jahr 2012 erschien das Buch unter dem Titel „The Lion Handbook of Science & Christianity“ bereits in England, nun ist es auf Deutsch übersetzt worden. „Gott oder Zufall?“ veröffentlichte der Pattloch-Verlag in diesen Tagen. Das Buch ist eine leicht zu verstehende Hilfe in allen Fragen, die sich kritische, an Naturwissenschaft interessierte Christen stellen könnten. Der gut lesbare Stil, viele Fotos und eingestreute prägnante Zitate berühmter Forscher und Denker lassen ein echtes Schmöker-Gefühl aufkommen. Der Herausgeber weist explizit darauf hin, dass sich das Buch gut querlesen lasse und nicht von vorne bis hinten studiert werden müsse. Das Glossar am Ende ist zwar nicht sehr umfangreich, stellt jedoch für ein wissenschaftliches Buch wie dieses eine sinnvolle Rückendeckung dar.
Herausgeber Richard James Berry ist Biologe und Träger des Templeton-Preises, der für das Bemühen, Religion und Wissenschaft miteinander zu versöhnen, verliehen wird. Für das Buch „Gott oder Zufall“ hat er 26 Fachwissenschaftler und Theologen der Universitäten Oxford, Cambridge, MIT, Notre Dame (USA), King´s College London die Frage beantworten lassen: Widersprechen sich Glaube und Wissenschaft oder sind sie vielleicht sogar aufeinander angewiesen?
Agnostiker oder Atheist
Zunächst gibt das Buch dem Leser einen Überblick über philosophische Denkweisen, speziell zur Erkenntnistheorie, um die Frage zu klären, was Wissenschaft leisten kann und wo ihre Grenzen liegen. „Zahlreiche Wissenschaftler sind zugleich aktive Wissenschaftler und auch religiös Gläubige, und sie sehen darin keinen Konflikt mit ihrem Glauben, wenn sie der Physik, der Chemie, der Mathematik und der Kosmologie auf den Grund gehen“, stellen die Autoren fest. Immerhin habe ein Großteil der modernen Wissenschaft seine Wurzeln im England des 17. Jahrhunderts, in dem viele Männer forschten und gleichzeitig „an starken protestantischen Werten festhielten – und denen es nichts ausmachte, das zuzugeben“.
Die Autoren erklären Begriffe wie Atheismus, Deismus, Agnostizismus und Theismus: Viele, die sich selbst Atheisten nennen, sind in Wirklichkeit Agnostiker (das Buch spricht von neun von zehn Fällen, in denen das wahrscheinlich so ist). Denn ein Atheist glaubt etwas – nämlich dass es keinen Gott gibt. Ein Agnostiker hingegen meint, dass es unmöglich ist, darüber überhaupt etwas zu wissen.
Kann es Wunder geben?
Kann es nach wissenschaftlichen Kriterien Wunder geben? Die Frage zielt darauf ab, welchen Begriff wir von Wissenschaft haben. Geht man davon aus, dass ein Gott die Ordnung der Welt geschaffen hat, spräche nichts dagegen, dass er selbst auch diese Ordnung abändert.
Für viele Atheisten ist es schwierig nachzuvollziehen, dass Erkenntnisse der Wissenschaft den Glauben nicht schwächen, sondern im Gegenteil oft sogar stärken. Der Direktor des US-amerikanischen National Institutes of Health, Francis Collins, sagte: „Für mich war die Erfahrung der Entschlüsselung des menschlichen Genoms und die Aufdeckung dieser bemerkenswertesten aller Texte sowohl eine überwältigende wissenschaftliche Leistung als auch eine Gelegenheit zur Anbetung.“ Damit gibt er auch die Stoßrichtung des Buches an.
Schon im Mittelalter waren Wissenschaftler überzeugt: Alles, was in der Welt ist, deutet auf Gott hin, wird also als Metapher für das Schöpfungswerk Gottes gesehen. Forschen wäre demnach das Erkennen von Gottes Plan für diese Welt. Tatsächlich deuten neue Erkenntnisse der Wissenschaft an, dass alles im Universum im Grunde für den einen Zweck erschaffen wurde, dass der Mensch erkennt, dass es für ihn erschaffen wurde. „Wenn Gott die Welt erschaffen hat, ist es nur konsequent, dass etwas von seinem Wesen (und damit auch von seiner Macht, seiner Güte, Treue und Weisheit) in der Schöpfung offen sichtbar zutage treten müsste“, heißt es im Kapitel „Wissenschaft, Glaube und die Bibel“. Und weiter: „Kurz gesagt, Christen müssen die Wissenschaft aus dem einfachen Grund ernst nehmen, weil die Schöpfungstheologie es verlangt. Gott ist einfach deshalb erkenn- und erfassbar, weil er sich selbst offenbart.“ So kann es also tatsächlich sein, dass es einen „übernatürlichen“ Leib nach der Auferstehung gibt. Nur reicht unser naturwissenschaftlicher Horizont vielleicht einfach nicht aus, diesen zu beschreiben.
Darwin gegen Adam
Ein Buch über den Wettstreit zwischen Glaube und Wissenschaft kommt selbstverständlich an der Königsdisziplin nicht vorbei: die Frage nach dem Ursprung des Lebens. Es wundert nicht, dass die Herausgeber diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet haben. Auch hier bleiben die Autoren weitgehend neutral, die beschreiben eher den Sachverhalt, den geschichtlichen Hintergrund und beantworten Fragen, als dass sie den Glauben verteidigen wollen. Charles Darwin schlug in einem Brief am einem Freund die Möglichkeit vor, Leben könnte in einem „warmen kleinen Teich“ von selbst entstanden sein. Bis heute ist die Frage nicht hinreichend geklärt.
Das Buch hält sich weitgehend an die übliche Darstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und lässt sich nicht zu einem kreationistischen Ansatz hinreißen. Vielmehr stellen die Autoren fest: „Hat unser gegenwärtiges Nichtwissen, was den Ursprung des Lebens betrifft, eigentlich irgendeine theologische Bedeutung? Es ist schwer festzustellen, warum das so sein sollte.“
Weiter heißt es: „Hier ist nicht der Ort, die wissenschaftlichen Debatten über die Evolution darzustellen.“ Dem ist allerdings keineswegs zuzustimmen. Wo, wenn nicht in einem Buch über den Streit zwischen Glaube und Wissenschaft, Bibel und Labor, atheistischen Naturalismus und Bibel-Exegese, wäre es angebracht, auf die hitzig geführte Debatte um Evolution und Kreation einzugehen? Die Autoren beschließen die Debatte mit den Worten: „Seit Darwin hat es keinerlei ernstzunehmenden Zweifel unter Wissenschaftlern gegeben, dass das Leben von einer ursprünglichen Form (oder von sehr wenigen Formen) abstammt.“ Sie verkennen dabei, dass es sehr wohl Einsprüche vonseiten ernstzunehmender Wissenschaftler gibt.
Die Autoren gehen erfreulicherweise dennoch auf die Probleme ein, welche die Evolutionstheorie mit der biblischen Lehre bekommt. Gott habe beim zufälligen Entstehen von neuen Arten keinen Platz mehr, lautet häufig ein Einwand. Und wie kann sich Leben nur auf dem Rücken von unzähligen Toden entfalten, wenn doch laut Bibel alle Geschöpfe von Anfang an „gut“ waren? Schuf Gott den Menschen nun „nach seinem Bilde“ oder als Halbaffen, der sich immer weiter fortentwickelt? Gab es Adam? Die Erbsünde? Daran hängt schließlich die Frage, woher die Ursünde kommt und ob ein Opfertod Jesus als Antwort auf Adam notwendig war. Die Bewegung des „Intelligent Design“, die versucht, moderne wissenschaftliche Erkenntnisse mit einem Schöpfungsgedanken zu vereinen, bezeichnen die Autoren als „höchstproblematisch“, weil Gott dabei zu einem Lückenbüßer werde, der immer dann angenommen wird, wenn die Wissenschaft nicht weiterkommt.
„Gott oder Zufall?“ ist ein spannendes Buch für jeden, der sich nicht entscheiden kann, ob er der Wissenschaft mehr Glauben schenken soll als der Bibel. Es spart auch schwierige Themen wie die Relativitätstheorie, Quantenphysik, den Urknall, den freien Wille oder Nahtoderlebnisse nicht aus. Vieles davon kann in einem populärwissenschaftlichen Buch selbstverständlich nur angerissen werden. Aber gerade diese Sammlung von wissenschaftlichen Klassikern, betrachtet aus christlicher Sicht, macht das Buch wertvoll. Erfreulich: Es bemüht sich nicht, den Glauben übertrieben zu verteidigen; Vielmehr kommt es als Lehrbuch daher, das in der Bibliothek wahrscheinlich genau zwischen Theologie und Naturwissenschaft stehen müsste. (pro)
Richard James Berry (Herausgeber): „Gott oder Zufall? Was wir wissen, was wir glauben“, Pattloch-Verlag, 2. September 2013,
ISBN-13: 978-3629130341
26,- Euro