Angst statt Menschenwürde

Westliche Staaten missachten zunehmend die Menschenrechte. Das hat die Nichtregierungsorganisation Amnesty International am Dienstag in Berlin erklärt. In ihrem Jahresreport kritisiert sie auch zahlreiche Fälle von Christenverfolgung weltweit.
Von Anna Lutz
Syrischer Flüchtling in Griechenland: Amnesty International kritisiert die Vernachlässigung Hilfesuchender durch westliche Staaten

„Die Politik von immer mehr Regierungen verabschiedet sich immer mehr von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, sagte Amnesty-International-Deutschland-Generalsekretär Markus N. Beeko bei der Vorstellung des aktuellen Jahresreports in Berlin. Damit deutete er vor allem in Richtung der USA, deren Präsident Donald Trump das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit etwa durch sein mittlerweile ausgesetztes Einreisedekret gegen Inhaber bestimmter ausländischer Pässe in Frage gestellt habe.

Im Westen regiert die Angst

Im Gegensatz zu den Vorjahren bewertete Amnesty vor allem Probleme in westlichen Staaten als besonders schwerwiegend. So kritisiert die Organisation in ihrem Report neben den USA etwa Frankreich, wo 2016 der Ausnahmezustand infolge verschiedener Terroranschläge vier Mal verlängert worden ist. Dadurch seien „massive Verletzungen des Rechts auf Privatsphäre“ möglich geworden, etwa Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss. Dabei sei es unter anderem zu „exzessiver Gewalt“ durch die Polizei gekommen.

Beeko kritisierte auch die Verschärfung der Flüchtlingspolitik in Deutschland. Die Aussetzung des Familiennachzugs sei ebenso fraglich wie die Praxis der Abschiebung nach Afghanistan. Die derzeitige Sicherheitslage erlaube dies nicht und die Regierung gefährde damit Menschenleben. Beeko hält die Verknüpfung der Themen Flüchtlingspolitik und Innere Sicherheit für unzulässig. Die Bundesregierung konzentriere sich nicht mehr auf den Schutz Hilfesuchender, sondern auf reine Migrationskontrolle und den anstehenden Bundestagswahlkampf. Die Idee der menschlichen Würde weiche in westlichen Staaten zunehmend der Suche nach Sündenböcken und der Angst, erklärte er.

Nicht erst die jüngsten Nachrichten von der Festnahme des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel lassen auch die Türkei in den Fokus von Menschenrechtlern rücken. Amnesty kritisiert vor allem die starke Einschränkung der Meinungsfreiheit unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. 2016 seien 118 Journalisten in Untersuchungshaft genommen und 184 Medienunternehmen per Regierungserlass geschlossen worden. Auch das Internet werde schärfer überwacht.

Christen in China und Ägypten bedroht

In ihrem Jahresreport weist Amnesty International auch auf die weltweite Dieskriminierung religiöser Minderheiten hin. In Ägypten etwa würden Christen nicht nur durch Gesetze an der Ausübung ihrer Religion gehindert. Es sei auch zu Übergriffen auf Kopten gekommen, bei einem Bombenattetat auf eine Kirche im Dezember seien 27 Menschen ums Leben gekommen. Ein neues Kirchengesetz beschränke die Errichtung, Sanierung und Erweiterung von Gotteshäusern. In Algerien sieht Amnesty neben muslimischen Minderheiten auch Christen bedroht. So habe ein Gericht einen Konvertiten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er im Internet den Propheten Mohammed beleidigt haben soll.

Christen in China werden laut Report stärker überwacht und ihre religiösen Praktiken sanktioniert. Eine 2013 begonnene Kampagne zur Zerstörung von Kirchen und zur Entfernung christlicher Kreuze habe sich verschärft. Bis Ende des vergangenen Jahres seien 1.700 Kreuze entfernt worden. Ein freies Glaubensleben ist im Iran ebenfalls nicht möglich. Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungswesen seien für Christen Normalität, insbesondere, wenn sie vom Islam konvertiert seien. So sei es zu zahlreichen Festnahmen bei Durchsuchungen von Hauskirchen gekommen. (pro)

Von: al

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