Anerkennungskultur statt Abgrenzungskultur

Sind die Aussagen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière zur Leitkultur eine „Hausordnung für alle“ oder grenzen sie aus? Darüber haben am gestrigen Abend fünf Gäste gemeinsam mit ARD-Moderatorin Sandra Maischberger diskutiert. Ihre Ansichten waren so breit wie das politische Spektrum.
Von Johannes Blöcher-Weil
Was bringen die aufgestellten These von Bundesinnenminister Thomas de Maziere? Darüber hat Sandra Maischberger mit ihren Gästen in ihrer Sendung diskutiert.

Mitte der 1990er Jahre hat der Wissenschaftler Basam Tibi den Begriff der europäischen Leitkultur geprägt. Später sprach der CDU-Politiker Friedrich Merz von einer deutschen Leitkultur. Jetzt hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit seinen zehn Sätzen zur Leitkultur eine neue Debatte angefacht. Die Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) hat die Diskussion in der ARD-Sendung „Maischberger“ als Scheindebatte bezeichnet.

Es sei befremdlich für solche Forderungen die deutsche Leitkultur zu vereinnahmen. „Ich weiß, zu welchen Reaktionen Schlagwörter wie die Burka führen“, sagte sie. Aus Sicht der SPD-Politikerin gebe es die Integrationsprobleme nicht nur unter Migranten: „Wir dürfen das Ganze weder schön- noch schlechtreden.“ Die Politikerin warb dafür, eine Anerkennungs- einer Abgrenzungskultur entgegenzusetzen. Aus ihrer Sicht nutze die Union die Ängste der verunsicherten Mitte für ihre Zwecke.

Inwiefern will unsere Gesellschaft Islam zulassen?

Dass es in diesem Bereich auf jeden Fall Diskussionsbedarf gebe, sagte die Publizistin Birgit Kelle. Es müsse geklärt werden, „was uns Deutsche ausmacht und was wir von den Menschen erwarten, die zu uns kommen“, sagte Kelle, die CDU-Mitglied ist. Es müsse möglich sein, über Leitkultur zu sprechen, ohne das jemand spaltet. Die Burka-Diskussion sei für sie eine exemplarische Auseinandersetzung, inwiefern unserer Gesellschaft den Islam zulassen wolle.

Kelle plädierte dafür, dass diejenigen, die hierherkommen, akzeptieren sollen, dass manche Dinge hier so sind, wie sie sind. Die Gesellschaft müsse wissen, ob sie sich daran gewöhnen wolle, ob sie die Burka hier akzeptiere oder nicht. Trotz vieler kultureller Unterschiede sei ein gemeinsamer Nenner für alle wichtig, die hierher kommen. Dies müsse man positiv begleiten.

Kein Generalangriff auf die Muslime

Auf einer Wellenlänge lag Kelle dabei mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Deutschland müsse sich den Kern der Gesellschaft und des Zusammenlebens bewusst machen. Dazu müsse sich das Land vergewissern, wo es stehe. Die Thesen de Maizières seien kein Generalangriff auf Muslime. Dass dieser die christliche Prägung betont habe, richte sich gegen niemand anderen.

Der „Lautsprecher“ der Runde war Stern-Autor Hans-Ulrich Jörges. De Maizière wolle das Land spalten und darüber hinaus die Rechten mit den Konservativen verquicken. Sein Aufruf richte sich nicht an die Flüchtlinge, sondern an konservative und rechte Deutsche. Jörges bezeichnete die „Zeiten des reinen Christentums“ als vorbei. Eine Debatte über die Leitkultur meine nicht automatisch die „urdeutsche Kultur“. An der deutschen Kultur, den Riten und Gebräuchen habe sich in den vergangenen Jahren viel verändert: „Wir leben nicht mehr in Ur-Germanien, sondern reden über ein multikulturelles Deutschland.“

Für überflüssig hielt diese Debatte die Profi-Tänzerin und Schauspielerin Motsi Mabuse. Die in Südafrika groß gewordene Frau nimmt sowohl digital als auch im Alttäglichen eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit wahr: „Wir sind inklusiv und Teil dieser Kultur“, wünschte sie sich. (pro)

Von: jw

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