In einer vorgezogenen Predigt zum Reformationstag hat der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein die Christen zu einer beherzteren Mitgestaltung der Welt aufgerufen. Gottes Wort fordere dazu heraus, Verantwortung zu übernehmen. Doch wie „kann ein Mensch, der Politiker ist, über Werte reden“? Diese Frage versuchte Beckstein gegenüber der Gemeinde der evangelisch-lutherischen Kirche im bayerischen Pfaffenhofen zu beantworten.
Die Tageszeitung „Die Welt“ hat die Predigt des bayerischen Ministerpräsidenten in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht. Beckstein wünscht sich, dass die Menschen den Reformationstag zum Anlass nehmen, sich sowohl mit der Lehre Martin Luthers als auch mit den existenziellen Fragen des Lebens auseinander zu setzen. „Die Frage, woher kommt der Mensch, wohin geht er, was ist der Sinn des Lebens, wie bekomme ich einen gnädigen Gott, sollte uns alle auch beschäftigen“, so Beckstein.
Aufruf zu mehr gesellschaftlichem Engagement
In seiner Predigt rief Beckstein die Christen zu einem verstärkten gesellschaftlichen Engagement auf. Jeder einzelne müsse sich fragen, „mit wie viel Mut zum Bekenntnis, mit wie viel Überzeugungskraft (gehen) wir heutzutage in die Diskussionen und Entscheidungsprozesse einer säkularisierten Welt. Dringen wir mit der christlichen Botschaft in Deutschland noch durch (…)? Mit welcher Standfestigkeit führen wir den Dialog der Kulturen, insbesondere mit dem Islam, mit wie viel Engagement sind wir in unserer Gemeinde, in der Gesellschaft aktiv?“
„Versöhntes Miteinander unter den Christen“
Darüber hinaus verbindet der Politiker den Begriff „Reformation“ nicht nur mit Schlagwörtern wie Aufbruch, Erneuerung oder freiheitlichem Denken, sondern auch mit dem Auftrag zu einem versöhnten Miteinander unter den Christen. In einer Zeit, als in den Kirchen Ökumene noch ein absolutes Fremdwort war, hätten katholische und evangelische Christen miteinander betont: Wir wollen eine gemeinsame Union in der Politik. Aus diesem Grund ist sich Beckstein sicher: „Die Politik der CDU und noch stärker die der CSU (hat) einen wichtigen Beitrag für die Ökumene geleistet.“ Persönlich sei es ihm immer wichtig gewesen, Einweihungen von Straßen oder öffentlichen Gebäuden unter einen ökumenischen Segen zu stellen. Denn: „An Gottes Segen ist alles gelegen.“
Er selbst sei geprägt durch die Arbeit im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM). Dort habe er gelernt, wie wichtig eine Gemeinschaft, wie wichtig Freundschaften sind, so der bayerische Ministerpräsident. Aus diesem Grund sei Jugendarbeit für ihn sehr wichtig. Und das nicht nur im kirchlichen Bereich. Die Gesellschaft müsse dafür sorgen, dass Kinder und junge Menschen in ihr zu Hause sind, so Beckstein. „Es ist eine Schande für ein reiches Land wie Deutschland, dass es immer noch ein Risiko ist, Kinder zu haben, dass es immer noch Kinderarmut gibt.“
Leben im Spannungsverhältnis zwischen Politik und Christsein
Als Politiker stehe er in einem besonderen Spannungsfeld, wenn es um verantwortungsvolle Entscheidungen gehe, sagte Beckstein. Viele seiner Bestimmungen erschienen anderen Menschen als hart und gesetzlich. Doch als Politiker habe er für die Ordnung im Land zu sorgen. „Das dienstliche Amt ist ein anderes als das geistliche.“ Diese Unterscheidung sieht Beckstein in der Zwei-Reiche-Lehre von Luther bestätigt. Es sei nicht möglich, mit den Regeln des Reiches Gottes die Welt zu regieren, und umgekehrt. Beckstein beendete seine Predigt mit einem Bibelzitat: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“