„Dieses US-amerikanische Portal ermöglicht auch in Deutschland öffentliche verleumderische Aussagen und Beschimpfungen mit erheblichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen“, lautet die Kritik des LfM-Direktors Norbert Schneider. So könnten unzensierte Kommentare über andere Menschen, zum Beispiel Bemerkungen über tatsächliche oder vermutete Sexualtäter, mit Angaben über deren Wohnort ins Netz gestellt werden.
Viele der Einträge auf „RottenNeighbor“ – zu Deutsch: „fieser Nachbar“ – sind sogar mit Fotos der Betroffenen versehen. Zusätzlich nutzt der Anbieter Kartenmaterial des Onlinedienstes „GoogleMaps“, so dass Häuser und Wohnungen leicht identifiziert werden können. Oftmals ist sogar die vollständige Adresse der „fiesen Nachbarn“ angegeben. Praktisch bedeute dies, dass Menschen gezielt und identifizierbar diskriminiert und denunziert werden können, heißt es in der Pressemitteilung der LfM.
So finden sich auf dem Portal beispielsweise anonyme Einträge wie: „Schon seit über 15 Jahren lebt hier ein Kinderschänder“ oder „dies sind die allerschlimmsten Nachbarn überhaupt“. Zudem warten Prämien im Wert von 1.000 Dollar auf diejenigen, denen es gelingt, den „interessantesten Nachbarn Amerikas“ ausfindig zu machen und Informationen über diesen zur Verfügung zu stellen. Wer sich ganz sicher sein möchte, ob in seiner Gegend auch kein Verbrecher wohnt, kann sogar die Vorstrafen seiner Nachbarn im Umkreis von 10 Meilen abrufen.
Auch Deutsche nutzen „Online-Pranger“
Auch immer mehr deutsche Internetnutzer haben die Seite bereits für sich entdeckt, da das Internetportal kostenlos und für jeden frei verfügbar ist. Ganz vorne dabei: die Berliner, so Berichten des „Tagesspiegel“ zufolge. So erscheinen bereits auch zahlreiche Berliner Einwohner mit vollem Namen und Adresse auf der Internetseite „RottenNeighbor“, und sie werden ohne ihr Wissen als „ekliges Luder“ oder „Rotzkopf“ beschimpft. Damit man die vermeintlich „schlimmen Nachbarn“ schneller findet, stehen digitale Landkarten Deutschlands zur Verfügung. Darauf befinden sich rot eingezeichnet die Wohnorte angeblich „übler“ Nachbarn. Wer darauf klickt, kann böse Schmähungen nachlesen.
Appell an Google
In einem Brief forderte Schneider vergangenen Freitag Google Deutschland auf, sich nicht an dem „digitalen Pranger“ zu beteiligen. Es sei nicht einfach hinzunehmen, dass Beschimpfungen ins Netz gestellt werden, ohne dass Betroffene davon Kenntnis erlangen beziehungsweise sich angemessen zur Wehr setzen können. Das Web 2.0 eröffne leider schon genug Möglichkeiten des gezielten „Bloßstellens“ von Menschen.
Der digitale Pranger wird von einem kalifornischen Unternehmen betrieben. Nach Angaben der Anbieter sei das Projekt als nützliches Informationsportal gedacht, berichtet der „Tagesspiegel“. So sollte es ursprünglich dazu dienen, Umzugswilligen zu helfen, eine neue Wohngegend zu finden. Doch wer die Website besucht, könne deutlich erkennen, dass diese mittlerweile vor allem für „bösartige Läster-Attacken“ genutzt wird, so der „Tagesspiegel“. Ob an den online gestellten Anschuldigungen etwas dran ist, werde nicht kontrolliert.
Betroffene haben kaum eine Chance
Die Möglichkeiten, sich gegen die Verleumdungen zu wehren, seien begrenzt, so der „Tagesspiegel“. Laut Rechtsexperten haben Klagen gegen US-Betreiber nach deutschem Recht zwar Chancen auf Erfolg, doch sei dies sehr zeitaufwendig und unter Umständen sehr kostspielig. Der beste Weg sei eine Beschwerde-Mail an den Betreiber, so Alexander Dix, derzeitiger Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Berlin. „Eine Klage von Deutschen gegen das Projekt ist bis jetzt nicht bekannt. Bisher hatten die Betreiber immer ein Einsehen.“ Denn auf die Beschwerden der Betroffenen hin seien in den bekannten Fällen die verleumderischen Einträge von den Betreibern immer gelöscht worden. (PRO)