Amerikanische Schulen nehmen Schülern Computer wieder weg

H a m b u r g (PRO) - Anstatt immer mehr Schüler mit Computern auszurüsten, gehen in den USA viele Schulen inzwischen den umgekehrten Weg. Weil die Rechner meistens gar nicht zum Lernen benutzt werden, müssen die Kinder sie wieder abgeben.
Von PRO

Seit Jahren galt für die meisten Schulen sowohl in Deutschland als auch in den USA: möglichst jedes Kind soll einen Computer bekommen, damit es für das Leben und Arbeiten im Informationszeitalter vorbereitet ist. Laut einem Bericht von „Spiegel Online“ besitzt jeder vierte amerikanische Teenager einen eigenen Schulcomputer, bis 2011 soll es jeder zweite sein. Doch die Euphorie ist verklungen, die Computer müssen oft wieder verschwinden.

„Langsam macht sich die Erkenntnis breit, einer Illusion aufgesessen zu sein“, schreibt das Nachrichtenportal. Anstatt am Computer für die Schule zu lernen, spielten die Schüler oder suchten Pornographie im Internet. „Ausgerechnet in den USA, dem Weltzentrum des technischen Fortschritts, vollziehen einige Schulen eine Kehrtwende.“

Der Chef der Schulbehörde in Liverpool im US-Bundesstaat New York, Mark Lawson, sagte gegenüber „New York Times“: „Nach sieben Jahren gibt es keinen Beleg dafür, dass der Einsatz von Computern im Unterricht die Leistung der Schüler auch nur ansatzweise verbessert hätte.“ Gerade sein Bezirk hatte als einer der ersten im Land flächendeckend Laptops für alle Schüler eingeführt – was Lawson mittlerweile bereut. Mit den Schulcomputern hackten manche Schüler die Internetseiten regionaler Unternehmen, anstatt mit den Lehrern zu kommunizieren.

Gelernt haben die Schüler also tatsächlich etwas – den Umgang mit Computern. Aber oftmals unterscheidet sich das Lernergebnis von dem, wie es sich die Eltern und Lehrer vorgestellt hatten, als sie die Anschaffung der Computer propagierten. Wenn Kinder einen Computer bekommen, lernen sie damit unter Umständen eher, wie man Sicherheitssperren umgeht, als etwas über den üblichen Unterrichtsstoff.

Studien: Neue Medien verbessern Lernerfolg nicht

Eine vom amerikanischen Bildungsministerium in Auftrag gegebene Studie kam laut „Spiegel Online“ zu dem Schluss: die Leistung der Schülern wird nicht besser durch den Einsatz neuer Medien im Unterricht. Dies bestätigt auch Mark Warschauer, Pädagogik-Professor an der University of California in Irvine. Allerdings weist der Autor des Buches „Laptops and Literacy – Learning in the Wireless Classroom“ darauf hin, dass die Arbeit mit Computern die Kreativität und Selbstständigkeit der Jugendlichen fördere.

Die Matoaca High-School in Richmond, Virginia, hatte bereits vor fünf Jahren Laptops für alle eingeführt. Nun nimmt sie den Teenagern die Geräte wieder weg. Eine Umfrage hatte ergeben, dass jeder fünfte Schüler seinen Laptop grundsätzlich nie zum Lernen benutzt. Die Fortsetzung des Programms hätte 1,5 Millionen Dollar jährlich gekostet. „Wir wollten uns eine solche Fehlinvestition nicht länger leisten“, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung. Auch die Northfield Mount Hermon School in Massachusetts stoppte ein Millionen Dollar teures Computerprogramm, nachdem sie feststellte, dass die ständigen Reparaturen der Laptops mehr Zeit in Anspruch nahmen als die Computer-Schulung für die Lehrer.

Das „Asbest des 21. Jahrhunderts“

Sorgen ganz anderer Art macht sich die britische „Professional Association of Teachers“ (PAT) wegen der Computerisierung von Schulen. Sie warnt vor dem zunehmenden Einsatz von Funk-Netzwerken (WLAN) in Schulen. Denn ob die drahtlosen Computer-Netzwerke gesundheitlich wirklich unbedenklich sind oder nicht, sei immer noch nicht abschließend geklärt. Die PAT fürchtet, die WLAN-Netzwerke könnten sich irgendwann als „Asbest des 21. Jahrhunderts“ herausstellen. Viele Schulen in Großbritannien und auch Deutschland setzen immer mehr auf WLAN-Technologie, um die Computer miteinander zu vernetzen.

Auch in Deutschland fordern immer mehr Lehrer- und Elternverbände entsprechende Untersuchungen oder den Verzicht auf den WLAN-Einsatz an Schulen. Der bayerische Landtag etwa rät Schulen von WLAN ab und empfiehlt die Installation von kabelgebundenen Netzwerken. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich gegen drahtlose Computernetze in hessischen Schulen ausgesprochen.

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