Ist Karl-Theodor zu Guttenberg der schlechteste Akademiker aller Zeiten? Ist Straßenverkehr das Schlimmste in Großstädten? Oder ist Johnny Cash vielleicht der beste tote Musiker und nicht Michael Jackson? Diese Fragen mögen die Welt nicht bewegen, aber die Nutzer des neuen Netzwerks "Amen" sind sichtlich interessiert. Auf die letzte Frage antworteten bisher immerhin zehn Nutzer mit Amen, was Zustimmung signalisieren soll. Ablehnung drückt sich mit einem "Hell, no!" (Verdammt, nein!) aus. Das Prinzip des Start-ups nach Vorbild populärer Online-Dienste wie "Facebook" oder "Twitter" ist genauso simpel wie neu: Die Nutzer stellen Thesen auf, die Community stimmt zu oder lehnt ab. Das Ganze gleicht dem "Gefällt mir"-Button bei "Facebook" – doch "Amen" funktioniert im Unterschied zu der Mutter aller Netzwerke ausschließlich auf diese Weise. Seit dieser Woche ist das System für alle Interessierten freigeschaltet. Auch via iPhone kann mitdiskutiert werden. Seit Dienstag ist auch die entsprechende App für alle zu haben – sobald man sich auf www.getamen.com registriert hat.
Verantwortlich für das neue Projekt mit Sitz in Berlin sind unter anderem Felix Peterson, Caitlin Winner und Florian Weber. Alle drei sind keine Unbekannten im Web-Geschäft – Weber hat etwa "Twitter" mitentwickelt und bereits am Netzwerk "Xing" gearbeitet. Zwei Millionen US-Dollar sind bisher in die Entwicklung von "Amen" geflossen. Zu den prominenten Mitfinanzierern gehören US-Schauspieler Ashton Kutcher und Madonna-Manager Guy Odeary, wie die "Bild"-Zeitung berichtet. Nun soll "Amen" der "beste Ort der Welt" werden, "um eine Meinung zu haben", wie der Werbeslogan des Unternehmens verrät. Was das Besondere an der Idee von "Amen" ist, erklärte Mitgründer Peterson dem "Stern": "Amen ist ein Ort, wo darüber entschieden wird, ob etwas das Beste überhaupt oder das Allerschlechteste auf der Welt ist". Wenn ein Nutzer eine Aussage mit "Hell, no!" ablehnt, muss er einen neuen Vorschlag machen. Hält er etwa Einstein nicht für den schlechtesten Akademiker aller Zeiten, muss er diesen Namen durch einen anderen ersetzen. So entstehen mit der Zeit Ranglisten für nahezu alles. "Das Ganze soll Spaß machen, einen spielerischen Umgang mit Meinung ermöglichen", erklärte Petersen. Daneben sei es aber ein langfristiges Ziel, wertvolle Listen zu generieren. Zum Beispiel mit guten Restaurants, dem TV-Tipp fürs Wochenende oder der besten Kirche fürs Heiraten.
Das könnte funktionieren, glaubt man dem Nachrichtendienst "Meedia". Der mutmaßte bereits, dieses "Social Media-Dings" könne "schnell zur Geschmackspolizei im Web avancieren". Wer das nun testen möchte, muss vor allem etwas Geduld mitbringen. Die Nutzer sollen laut der "Deutschen Presse-Agentur" (dpa) erst nach und nach freigeschaltet werden, um das System nicht zu überfordern. Einmal drin, kann jeder Nutzer sich über "Amen" auch mit "Facebook" vernetzen. So ist "Amen" für die einen wohl ein reiner Zeitkiller und für die anderen eine echte Lebenshilfe. (pro)