„Als Theologe dürfte Krüger wissen, was er tut“

Nachdem die staatlich geförderte Schüler-Zeitschrift "Q-rage" in einem Artikel evangelikalen Christen "erzkonservative, zum Teil verfassungsfeindliche Ideologien" vorgeworfen hat, protestieren viele Christen gegen den Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger (SPD), das für das Blatt verantwortlich zeichnet. Der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher, ist verwundert: "Als Theologe dürfte Krüger wissen, was er tut".
Von PRO

In einem Begleitschreiben zu dem Magazin für die Schulen schreibt Krüger, das neue Heft enthalte „interessante Informationen, wie islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsrechte in Frage stellen, Jugendliche umwerben“ (pro berichtete). In einem Interview mit den „Bonner Querschnitten“ hat sich der Theologe und Religionssoziologe Thomas Schirrmacher zum Vorfall geäußert. Er ist Sprecher für Menschenrechte der Weltweiten Evangelischen Allianz, die in ihren Mitgliedsorganisationen etwa 420 Millionen Evangelikale vertritt. Wir geben hier das Interview in leicht gekürzter Form wieder.

Professor Schirrmacher, sind Evangelikale verfassungsfeindlich?

Thomas Schirrmacher: Dafür wird natürlich kein einziger Beleg geliefert. In allen Verfassungsschutzberichten kommt überhaupt keine christliche Gruppe vor und die Evangelikalen haben gerade in jüngster Zeit ihre Unterstützung unserer rechtsstaatlichen Demokratie immer wieder in Veröffentlichungen deutlich gemacht. Wenn ich täglich meine Zeitung aufschlage, finde ich da eine Menge Aktivitäten von Verfassungsfeinden, wo da aber Evangelikale dem auch nur in die Nähe kommen sollen, ist mir schleierhaft. Wenn 400 bis 700 Millionen Evangelikale weltweit Demokratien umstürzen und Menschenrechte beschneiden wollten, würden sie aber etwas häufiger davon in der Zeitung lesen, geschweige denn, wenn sie gewalttätig wären.

Wir Evangelikalen leben seit Jahrzehnten in diesem Land mit Millionen Menschen völlig friedlich zusammen und diese Millionen leben friedlich mit uns zusammen. Ich kann alle Politiker und Medienvertreter nur aufrufen: Bitte helfen Sie mit, dass dies so bleibt und kein hasserfülltes Klima gegen uns entsteht!

Und wie steht es mit den Freiheitsrechten?

Schirrmacher: Die evangelikale Bewegung ist aus der Antisklavereibewegung in England geboren worden, wo der Evangelikale William Wilberforce die Abschaffung der Sklaverei im 18. Jahrhundert erreichte. Die Evangelische Allianz trat weltweit bereits Mitte des 19. Jahrhunderts massiv für Religionsfreiheit für alle ein, als die meisten Staaten (und Kirchen) das Wort noch nicht einmal buchstabieren konnten! Wir sind heute weltweit Vorreiter für Menschenrechte und gegen Armut – jüngst lobte der Generalsekretär der UNO in einem Festakt die Weltweite Evangelische Allianz dafür.

Besonders perfide finde ich, dass in einem Heft, das Rassismus an Schulen bekämpfen soll, der Eindruck erweckt wird, wir wären Rassisten. Evangelikale haben immer den Rassismus bekämpft, in der Sklaverei, in den USA, in Südafrika und überall. Eine ihrer Stärken ist gerade diese völkerübergreifende Glaubensgemeinschaft. Evangelikale Schüler haben an Schulen überall ein überdurchschnittlich gutes Verhältnis zu ausländischen Mitschülern! Lächerlich, dass gerade sie an Schulen für Rassismus verantwortlich sind. Die wahren Täter lässt man wieder einmal laufen.

Meinen Sie denn, der Präsident der Bundeszentrale kennt sich in Religionsfragen genügend aus, dass ihm die Tragweite seiner Aussagen bewusst ist?

Schirrmacher: Ja, selbstverständlich, immerhin ist er von Haus aus Theologe und war Vikar in der DDR, bevor er 1989 in die Politik wechselte. Seine Abneigung gegen konservative Theologie ist nicht neu und er ist auch genügend in die Diskussion über den Islamismus geraten, um zu wissen, was auf dem Spiel steht. Im Wikipedia-Artikel über Thomas Krüger wird das so zusammengefasst: „Krüger kam 2005 in die Kritik, weil er den Vorsitzenden der vom Verfassungsschutz beobachteten ‚Islamischen Gemeinschaft in Deutschland‘ (IGD) Ibrahim El-Zayat als ‚Experten für Integrationsfragen‘ empfahl und, auch als dessen islamistischer Hintergrund klar wurde, an el-Zayat festhielt.“

Wie genau er Bescheid weiß, zeigt auch seine Formulierung. Er klagt nicht pauschal die Muslime an, sondern differenzierend nur die „Islamisten“. Bei den 400 bis 700 Millionen Evangelikalen weltweit gibt es für ihn aber offenbar nichts zu differenzieren, sie werden pauschal neben Islamisten gestellt, als würden wir täglich von evangelikalen Bomben lesen. Überlegen sie einmal, 1,8 Millionen Evangelikale in Deutschland wollten Freiheit mit Gewalt einschränken. Und davon hat noch keiner etwas mitbekommen, wo uns gleichzeitig einige Tausend Islamisten in Atem halten?

Das wäre ja übrigens privat auch alles Krügers gutes Recht, aber als Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung hat er auch als SPD-Mitglied sowohl die Verantwortung, politische Bildung im Sinne aller demokratischen Parteien zu machen, als auch nicht regierungsamtlich seine persönliche Meinung zu verbreiten. Hier ist sicher auch die CDU gefordert, repräsentiert etwa in seinem Stellvertreter oder seinem Dienstherrn, dem Bundesinnenminister, der Verquickung von privater Meinung mit dem Auftrag der steuerfinanzierten Bundeszentrale, unsere Verfassungswerte übergreifend auf allen Ebenen zu verbreiten, einen Riegel vorzuschieben.

Würden Sie das als Christenverfolgung bezeichnen?

Schirrmacher: Gemach, gemach! Je stärker Evangelikale in den Medien präsent sind und sich sozial und politisch engagieren, desto mehr rühren sich auch ihre Gegner. Wir haben derzeit so viele Chancen, uns selbst in den Medien darzustellen, wie nie zuvor. Verantwortliche aller Art holen unseren Rat ein wie nie zu vor. Alle verfolgten Christen weltweit würden sofort mit uns tauschen. Immerhin geht es nur darum, dass einzelne Politiker ihre private Abneigung gegen uns schriftlich – und leider steuerfinanziert – verbreiten, um mehr nicht.

Kurzum, ich glaube, solche Entgleisungen sind nur eine Folge davon, dass es Leute ärgert, dass sich Evangelikale inzwischen auf vielen Feldern unmittelbar in gesellschaftliche Belange einmischen und offensichtlich erfolgreich in der Demokratie mitwirken. Früher war es ein Dauervorwurf an die Evangelikalen, dass sie die Stillen im Lande seien und sich nicht gesellschaftlich engagieren würden. Jetzt tun wir es, da ist es manchen auch nicht recht.

Die entscheidende Frage wird auf Dauer sein, wie gut die Medien in Deutschland recherchieren und ob sie fair berichten, oder ob die Chefredakteure zulassen, dass einzelne Journalisten ihre Abneigung gegen uns in öffentliche Polemik ummünzen dürfen. (…)

Was Krüger hier macht, ist klar die Diskriminierung einer gesellschaftlichen Minderheit und das nicht im Einzelfall wegen dem, was sie tun, sondern wegen dem, was sie sind und glauben, ja dass sie überhaupt existieren – zumindest steht das so in dem empfohlenen Artikel. (…)

Ich kann nur allen raten: Wehret den Anfängen! Morgen könnt ihr die Opfer sein.

Gibt es dafür Belege?

Schirrmacher: Ja, nehmen Sie doch den umstrittenen Artikel. Darin heißt es: „Der Mensch hat ein Bedürfnis nach einfachen Antworten. Die Religionen geben sie.“ Hier wird doch Atheismus gepredigt und das mit Steuergeldern und von der Bundeszentrale für politische Bildung. Im übrigen ist die Aussage natürlich lächerlich. Erstens, weil sie so klingt, als wenn nur Religionen einfache Antworten gäben, nicht aber wahlkämpfende Politiker, die Werbung oder eben „Q-rage“. Und zweitens kann ich das Christentum wahrlich nicht als ‚einfache Antwort‘ sehen. Es ist doch schon reichlich kompliziert und differenziert, was man da glauben muss und dauert Wochen und Monate, bis jemand nur die Grundlagen beschreiben kann.

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