Der Einsatz auf dem G7-Gipfel von vorigem Sonntag bis Dienstag ist für die etwa 18.000 beteiligten Polizisten mit Herausforderungen und Stress verbunden: Neue Kollegen und neue Strukturen, die Entfernung von ihren Familien, verantwortungsvolle Aufgaben und die Ungewissheit über den Verlauf der Ereignisse. Begleitet werden sie von Seelsorgern. Für die etwa 7.000 Einsatzkräfte der Bundespolizei sind zehn evangelische und katholische Seelsorger im Einsatz. Eine Besonderheit: Die Polizeiseelsorger tragen Uniform.
Aus Bamberg ist Pfarrerin Miriam Groß angereist. „Es gibt keine normalen Tage“, sagt die Bundespolizeiseelsorgerin, die im Einsatzabschnitt München eingesetzt ist. Groß nimmt an Lagebesprechungen und Telefonschaltkonferenzen teil und erfährt dort, wo Polizeikräften belastende Ereignisse bevorstehen. Und sie begleitet die Polizisten im Einsatz, etwa auf Streife am Hauptbahnhof.
Groß nimmt abwechselnd an einer halben Tages- und einer halben Nachtschicht teil. „Es ist wichtig, als Seelsorger verlässlich präsent zu sein“, sagt sie. Unterwegs auf Streife entstehen Gespräche zu Alltagsthemen, zu Familienkonflikten oder zu belastenden Erfahrungen im Einsatz. Die Pfarrerin steht unter Schweigepflicht: „Was man mir anvertraut, bleibt bei mir.“ Nur mit einem rede sie darüber: mit Gott.
Was treibt Miriam Groß an? „Jeder Mensch ist als Gottes Ebenbild erschaffen“, sagt die Polizeiseelsorgerin, die ihre Kollegen religions- und konfessionsoffen begleitet. Durch ihre Identität als Christin will sie Freude, Licht und Hoffnung ins Leben bringen. Groß: „Es sind eher die Handlungsweisen, die sprechen.“
Als Pfarrerin im Polizeidienst sei sie für Bevölkerungsschichten da, die im Gemeindedienst nur schwer erreichbar seien: junge Menschen zwischen 16 und 35 Jahren. Zu Hause in Bamberg arbeitet Groß am Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei. „Mich bewegt das Vertrauen dieser jungen Menschen“, so die Seelsorgerin.
Koordiniert wird der Einsatz der Bundespolizei-Seelsorger von den Oberpfarrern Derik Mennrich (evangelisch) und Pater Andreas Böckling (katholisch). Gemeinsam haben sie im Vorfeld ein Konzept entwickelt, darin die seelsorgerliche Präsenz dem Einsatz angepasst und die Polizeikräfte informiert, wie Seelsorger erreichbar sind. Einige Pfarrer sind Einsatzräumen, andere Einsatzteams zugeordnet.
Eine Besonderheit bei der Bundespolizei: Die Pfarrer werden für diesen Dienst von der Kirche freigestellt und Teil der Polizeiorganisation – was an den Dienstuniformen erkennbar ist. Dies führe mit Blick auf die Trennung von Kirche und Staat mitunter zu kritischen Rückfragen, sagt Mennrich. Dazu verweist er auf den Auftrag der Seelsorger, Religionsfreiheit in die Bundespolizei hineinzutragen. „Wir verstehen uns so, dass wir für alle Ansprechpartner sind“, so der Oberpfarrer weiter.
Am Sonntag leitete Mennrich gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen einen Gottesdienst in der Bundespolizeidirektion München und predigte über Galater 5,1: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Für die Freiheit zu kämpfen heiße, Belastungen und Schweißperlen in Kauf zu nehmen. „Glaube ist nicht Privatsache“, so Mennrich – er habe eine gesellschaftliche und politische Dimension. Die Polizisten schützten mit ihrem Dienst auf dem G7-Gipfel nicht nur Politiker, sondern auch die Freiheit der Gipfelkritiker, ihre Gegenmeinung zu äußern.
Das ist auf diesem Gipfel gelungen: Die – im Vergleich zu den letzten G7-Treffen wenig besuchten – Demonstrationen verliefen friedlich. Kurz vor dem Gipfelabschluss sagt Pfarrerin Groß: „Wir sind dankbar, dass es ein ruhiger Einsatz war und es bisher keine traumatisierenden Ereignisse gab.“
Von Achim Halfmann, Journalist und Medienpädagoge. Er leitet die „Fachstelle Medien & Bildung“ des Berufskollegs Bleibergquelle und berät dort unter anderem die Christliche Polizeivereinigung.