Alois Glück kann auf einen großen Fundus an Erfahrung zurückgreifen: sowohl als Politiker als auch als Christ. Der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken berichtet daraus in einem neuen Buch. Eine Rezension von Johannes Weil
Als Buchautor beschäftigt sich Alois Glück mit dem Auftrag der Christen in unserer Welt
In seinem Buch „Anpacken statt Aussteigen“ beantwortet der ehemalige Politiker Alois Glück im Gespräch mit dem Journalisten Joachim Frank die für ihn drängenden gesellschaftlichen Fragen. Er nehme in der Gesellschaft eine „seltsame Mischung aus Resignation und Aggression“ wahr. Gerade jetzt wünsche er sich von Christen Werteorientierung, Sachkompetenz und einen langen Atem.
Christen müssten qualitative gesellschaftliche Debattenbeiträge leisten und einen Schulterschluss üben, der an den Werten des Evangeliums orientiert sei. Der sich abzeichnende Abschied von der Volkskirche sei für viele Christen schmerzhaft. Aber auch in der Vergangenheit hätten viele schmerzliche Umbrüche zu neuen Aufbrüchen geführt. Glück ermahnte die Christen, diesen Veränderungen ohne Groll zu begegnen. Vielmehr sollten sie den Wandel mit gestalten, aber auch die innere Spannungen unterschiedlicher Sichtweisen aushalten. Ein bloßes Erdulden des Zustandes lasse die Kräfte schwinden, findet Glück.
Das CSU-Mitglied wehrt sich dagegen, aus Zahlen und Bilanzen Erfolg oder Misserfolg kirchlichen Handelns abzuleiten. Die Kirche müsse sich den Menschen zuwenden und ihnen den christlichen Glauben als Antwort auf ihre Existenzprobleme anbieten, und sich zugleich fragen, ob sie die Suchenden noch erreicht. Der Autor bemängelt in „seiner“ katholischen Kirche eine Verweltlichung im Denken, im Handeln und in den Strukturen. Dies sei auch mit dem Finanzskandal in Limburg sichtbar geworden. Die Kirche solle nicht in hektischen Aktionismus verfallen. Vielmehr wünsche er sich eine eigene Tiefe in Frömmigkeit und Lebensstil des Einzelnen.
Politisches Engagement gehört zum Auftrag
Für Glück ist politisches Engagement von Christen untrennbar mit dem Weltauftrag der Kirche verbunden. Christen müssten wache und kritische Zeitgenossen sein. Dazu gehöre es auch, in den Fragen zum Lebensanfang und Lebensende eine Ethik zu entwickeln, „auch wenn das Ergebnis solcher Debatten aus der Sicht eines Christen nicht immer befriedigend sein mag“. Auch zur Frage, was die Trennung von Staat und Religion für Gläubige bedeute, hat sich Glück Gedanken gemacht. Der Staat sei keine religiöse Gesinnungsgemeinschaft. Trotzdem wäre ohne die katholische Soziallehre und die evangelische Sozialethik die Entwicklung des Sozialstaats so wenig denkbar wie die soziale Marktwirtschaft.
Als große Gefahr sieht Glück derzeit den Fundamentalismus und die Idee, anderen Menschen eigene Überzeugungen aufzwingen zu können. Er pflichtet dem Zeit-Autor Jan Roß bei, der Gott einmal als die „Garantie der Humanität“ bezeichnet habe, während die gottlose Gesellschaft bedroht sei von der Unmenschlichkeit. Die Laienverbände in beiden Kirchen müssten sich als Salz der Erde begreifen.
Für Glück hängt der künftige Einfluss der Christen auf gesellschaftliche Veränderungen nicht von der Quantität, sondern von der Qualität ihrer Beiträge ab. Christen seien aufgefordert, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen und sich für die Schwachen einzusetzen.
Glück wehrt sich auch gegen Vorurteile gegenüber „Frommen“: „Ich glaube und vertraue auf den Gott, der in seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden ist und sich uns offenbart hat“, bekennt er in dem Buch. Sehr spannend ist das Kapitel, in dem er sich mit Führungskräften und deren Gaben beschäftigt. Gute Führungspersönlichkeiten müssten sich vor allem auch mit sich selbst auseinandersetzen. Eine gute Führungspersönlichkeit zeichneten Zielorientierung und präzise Ergebnisvereinbarungen aus. Glück prangert an, dass Menschen nicht wegen ihrer Eignung, sondern wegen ihrer „richtigen Gesinnung“ in Führungspositionen gelangten.
Einfühlungsvermögen und Respekt
In der Werte-Debatte wünsche sich Glück vor allem Einfühlungsvermögen und Respekt. Weltweite Entwicklungen und Debatten würden dazu führen, darüber nachzudenken, welche Werte wirklich wichtig seien. Dafür sei es notwendig, die kulturellen Prägungen anderer und ihre Konsequenzen zu verstehen. Christen sollten sich systematisch von denen abgrenzen, die das zwischenmenschliche Klima vergifteten und auch eine Kultur der Wertschätzung gegenüber kranken und sterbenden Menschen entwickeln, sonst sei die Menschenwürde „immer wieder aufs Neue gefährdet“.
Alois Glück wurde in der Katholischen Jugend sozialisiert. Er zog 1970 als Abgeordneter erstmals in den Bayerischen Landtag ein und setzte Schwerpunkte in der Sozialpolitik, auch, weil einer seiner Söhne schwerstbehindert ist. Er war Staatssekretär, Vorsitzender die CSU-Landtagsfraktion und Landtagspräsident. Seit 1983 gehört der Autor dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) an. 2009 wurde er dessen Vorsitzender. Aktuell engagiert sich Glück in der Sterbebegleitung und der Sterbehilfe. Er ist zudem Kuratoriums-Mitglied bei der Evangelisationsveranstaltung ProChrist.
Glück hat sein neues Buch zwar in sehr vielen Bereichen auf die katholischen Kirche ausgerichtet, aber von vielen Ansatzpunkten können auch Protestanten profitieren. Joachim Frank gelingt es gut, die großen gesellschaftlichen Themen in den Fragen auf den einzelnen Christen herunterzubrechen. Das Buch ist sicher nicht an einem Stück lesbar, aber portioniert bietet es interessante und gute Debattenbeiträge, über die es sich lohnt, weiter nachzudenken. (pro)
Alois Glück/Joachim Frank: „Anpacken statt Aussteigen: Der Auftrag der Christen in unserer Welt“, Herder, 16,99 Euro, 192 Seiten
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