Allianz und Papst rücken enger zusammen

Die Spitze der Weltweiten Evangelischen Allianz hat sich erneut mit Papst Franziskus beraten. Sie haben unter anderem beschlossen, sich gemeinsam für die biblische Ehe und gegen Menschenhandel einzusetzen, berichtet der Theologe Thomas Schirrmacher im pro-Interview.
Von PRO
Thomas Schirrmacher und Papst Franziskus haben über eine Zusammenarbeit von Evangelikalen und Katholiken gesprochen

pro: Sie waren mit dem Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) zusammen beim Papst. Zum letzten Mal besuchten Sie ihn im Juni. Warum nun schon wieder?

Thomas Schirrmacher: Wir waren mit einer 22-köpfigen Delegation dort und haben gewissermaßen die Frucht der vielen Gespräche mit Papst Franziskus und verschiedenen päpstlichen Räten geerntet. Papst Franziskus und die WEA haben eine kleine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die ab jetzt dauerhaft alle Gespräche und die Zusammenarbeit koordinieren soll. Die Delegation war so groß, weil vor und nach der Audienz jeweils unsere Fachleute mit den meisten Päpstlichen Räten oder mit konkreten Ausschüssen gesprochen haben.

Mit welchen Fragen befassen sich diese Ausschüsse?

Es gibt Ausschüsse gegen Menschenhandel, gegen Landminen und Kleinwaffen, zu Nuklearwaffen, und natürlich zur Religionsfreiheit und gegen Christenverfolgung. Gespräche gab es auch mit dem Päpstlichen Rat für Kommunikation über Bibelverbreitung, Filmproduktion und Nutzung der sozialen Medien. Zudem haben wir mit dem Päpstlichen Rat für interreligiösen Dialog und dem Rat für Familie gesprochen. Mit letzterem haben wir weitreichende Kooperationen vereinbart, um uns weltweit für die Ehe aus biblischer Sicht einzusetzen. Mitte November werde ich auf Einladung der Kongregation für die Glaubenslehre, der lange Zeit Kardinal Ratzinger vorstand, an einer internationalen Konsultation zum Thema Ehe teilnehmen, unser Hauptredner wird Rick Warren sein.

Der Papst und der Generalsekretär der WEA verkünden „ein neues Zeitalter“ der Zusammenarbeit zwischen Vatikan und Allianz. Heißt das: Reformation adé?

Keine Seite hat Interesse an einer Art von Zusammenarbeit, die die theologischen Unterschiede ignoriert oder einebnet. Im Gegenteil: Die neue Zusammenarbeit eröffnet ein noch respektvolleres, weiterhin ehrliches Gespräch, gerade auch über die Anliegen der Reformation. Deswegen hat die WEA auch entschieden, dass deren Theologische Kommission weiterhin die Federführung in der Zusammenarbeit hat, auch bei ganz praktischen und unumstrittenen Themen wie dem gemeinsamen Kampf gegen Menschenhandel.

Warum konzentriert sich die WEA plötzlich so auf den Vatikan?

Das kann man so nicht sagen. Am Mittwoch sind Geoff Tunnicliffe (der Generalsekretär der WEA, d. Red.) und ich in ähnlicher Mission beim Ökumenischen Patriarchen in Istanbul, dem Oberhaupt aller orthodoxen Kirchen. Im Januar finden ähnliche Gespräche mit der Spitze des Ökumenischen Rates der Kirchen statt. Wir wollen überall erreichen, dass wir nicht ad hoc, sondern koordiniert und fortlaufend miteinander reden und gemeinsam handeln, wo es unsere theologischen Unterschiede zulassen. Schon die politische Lage weltweit zwingt uns doch dazu, dass alle globalen christlichen Körperschaften nicht nebeneinander her arbeiten, als gäbe es die anderen gar nicht.

Gibt es in der Allianz auch Widerstand gegen die Kooperation mit der Katholischen Kirche?

Wir haben die breite Rückendeckung der nationalen und regionalen Allianzen weltweit, auch in Europa, wie die Generalversammlung der Europäischen Evangelischen Allianz in England kürzlich zeigte. Die Italienische Evangelische Allianz hat als einzige starke Bedenken, die wir – auch durch zahlreiche Gespräche mit ihnen – ernst nehmen. Allerdings hat die Italienische Allianz bereits 2000 und 2002 beim Papst vorgesprochen, damals noch Papst Johannes Paul II.

Herr Schirrmacher, vielen Dank für das Gespräch! Die Fragen stellte Moritz Breckner. (pro)

https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/evangelikale-und-katholiken-keine-kompromisse-89313/
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