Alles online? Neue Wege der Verkündigung

Das Internet, und erst recht das "Mitmachnetz" Web 2.0, ist aus dem Leben postmoderner Menschen nicht mehr wegzudenken. Am letzten Tag der Konferenz für Gemeinde-Innovation in Filderstadt gaben Experten Informationen darüber, wie Gemeinden "social media" einbinden können. Und ob sie es überhaupt müssen.
Von PRO

"Es lohnt sich, Energie in social media zu stecken", ist Florian Maier, Projektreferent Soziale Netztwerke im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (ejw), überzeugt. Er machte wie die anderen Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Samstagnachmittag Mut dazu, die Neuen Medien wie etwa Soziale Internet-Netzwerke in das Gemeindeleben einzubinden. Allerdings, merkte Maier an, müsse jeder für sich entdecken, welche Netzwerke zu einem passten. Dennoch sei zu beachten, dass besonders Jugendliche in den letzten Jahren die Webseiten der Kirchengemeinden deutlich häufiger besuchten, was nicht zuletzt der Beteiligung in sozialen Netzwerken zu verdanken sei. Studien zeigten, dass heutzutage fast alle vernetzten Jugendlichen in irgendeiner Form am Mitmachnetz teilnehmen, vor allem über Webseiten wie "Facebook" und "StudiVZ".

Jörg Dechert, Leiter von ERF Online, ist überzeugt davon, dass das Internet sehr gut für Mission genutzt werden kann. Skepsis dem gegenüber verglich er mit den Vorbehalten, die auch Johannes Gutenberg erfahren habe, als er eine Weinpresse dazu verwendete, mittels Bleilettern Buchstaben auf Papier zu drucken. Dechert sieht zwei Gründe für erfolgreiches Engagement von Christen im Internet. Grund eins sei die Masse an Menschen, die sich wie selbstverständlich täglich im Web bewegten. "Man muss mit der Mission da sein, wo die Menschen auch sind", so Dechert. Den zweiten Grund formulierte er so: "Das Internet passt zur Postmoderne wie der Deckel auf den Topf." Die Vernetzung und die private Beteiligung am Informationsnetz entspreche dem heutigen Denken: Man wolle unabhängig bleiben und sich individuell eine Meinung bilden. "Viele Menschen leben heutzutage in Lebensabschnittsgemeinschaften, und wir basteln uns unsere Gemeinschaften zusammen", sagte Dechert. Junge Menschen achteten in besonderem Maße auf Authentizität. Wenn also Christen von ihrem Glauben erzählten, sei es wichtig, "echt" zu bleiben, und da passe der direkte Kontakt über social media sehr gut. "Mission erschöpft sich nicht in einem heiligen Moment, sondern kann auch ein Weg sein, auf dem Suchende und Findende gemeinsam sind." Dechert fasste seine Meinung so zusammen: "Das Internet ist das Missionsfeld des 21. Jahrhunderts."

Auch Dan Peter, Kirchenrat und Medienreferent der Württembergischen Landeskirche, hält die sozialen Netzwerke im Internet angesichts des verbreiteten Individualismus für interessant. "Web-Seelsorger" fänden eigentlich ein Medium vor, das ihnen einen persönlichen Kontakt zu Menschen in seelischen Nöten oder mit Fragen zum Glauben ermögliche. Dennoch scheuten klassisch ausgebildete Seelsorger das Netz, weil ihnen der Augenkontakt fehle. Peter appellierte: "Wir brauchen Seelsorger, die sich auf die neuen Medien einlassen!"

Kristian Kirschmann, Pfarrer z.A. in Bad Herrenalb Bernbach, sprach die Frage an, wo für einen Facebook nutzenden Pfarrer die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verläuft. Soziale Netzwerke seien immerhin zu einem gewissen Grad "Seelenstriptease", so Kirschmann. Die Frage, ob ein Pfarrer nun unbedingt einen Facebook-Account bräuchte, beantworteten die Experten so, dass letzenendes jeder für sich entscheiden müsse, was zu einem passe. Maier wies darauf hin: "Eine Online-Bewegung muss von unten kommen und kann ohnehin nicht von oben aufoktruiert werden."

Jesus im Zentrum von Erneuerung

Michael Herbst, Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald, hat im Schlussvortrag des letzten Konferenztages daran erinnert, dass im Zentrum eines frischen Gemeindelebens das persönliche lebendige Leben mit Jesus Christus steht. "Es geht um die Frage, ob wir ein Evangelium haben oder nur uns selbst, ob es Kraft zur Versöhnung gibt oder nur unseren Streit", so Herbst. "Was wäre die Kirche ohne Jesus?", fragte der Theologe und fügte hinzu: "Mission folgt Jesus."

Herbst, der Mitglied im internationalen "Consortium for Congregational Studies" ist, erinnerte zudem an Wilhelm Carl Johann Konrad Koch, der den Fußball von England nach Deutschland brachte. Damals war dieser Sport hierzulande verpönt. Im Hinblick auf die Bewegung der geistlichen "fresh expressions", die auf der zweitägigen Konferenz besondere Beachtung fanden, sagte Herbst: "Neue Ideen haben es schwer in unserem Land." Doch man müsse anerkennen, dass die Briten die alte Amtskirche "neu erfunden" hätten. Und das in einem Land, das äußerst säkularisiert sei, und in dem 40 Prozent der Bevölkerung gar nichts mehr mit Kirche zu tun hätten. Die Anglikanische Kirche habe in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur erhebliche Krisen durchlebt, sondern verfüge über wenige finanzielle Mittel, da es in England keine Kirchensteuer gebe. Hinzu kommt laut Herbst ein junger britischer Atheismus, "von dem wir in Sachen Leidenschaft noch etwas lernen können".

Dennoch gebe es in England eine geistliche Erneuerung, und der Grund dafür liege in der "Kraftquelle": einer Hingabe an Jesus. "Gemeinde 2.0 ist zuvorderst eine geistliche Erneuerung", resümierte Herbst. "Fresh expression" bedeute immer, dass die Gemeinde auf die Menschen zu gehe, nicht anders herum. Außerdem bedeute Erneuerung nicht, dass Altes immer Platz machen müsse für Neues. Vielmehr könnten Traditionelles und Experimentelles auch gut nebeneinander im Gemeindeleben praktiziert werden. (pro)

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